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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Boden, Haus, Erde hindurchgingen und schließlich bis in ferne, dunkle Gefilde hineinreichten. Er schwebte diese leeren Korridore entlang, durch die ihre nackten Hände ihn zerrten.
    Ihr Gemurmel hörte nie auf. Sie umkreiste es immer wieder, umspann es, nannte es jedoch nicht eimal beim Namen - das, was sie wollte. Er fragte sich, ob es wohl eine Bezeichnung dafür gäbe, denn dann konnte er glauben, daß es das auch wirklich gab. Gab es jedoch keinen Namen dafür, kein Wort, es eindeutig zu etikettieren, dann war es eine absolute Realität, die über sein Begriffsvermögen hinausging, unendlich wie die Dunkelheit, durch die er von ihren hungrigen Händen gezerrt wurde.
    „Wir haben alles über sie herausbekommen!" Florence Morton lachte.
    „Naja... nicht alles, aber einiges!" Samuel Morton lachte.
    Sie waren spätabends vor Daniels Tür erschienen, beide im gleichen Aufzug: in blauen Wildlederjeans und fransenbesetzten Jakken. Es hielt schwer, Mann und Frau in ihnen zu sehen; sie waren gesichtslose Zwillinge mit knochigen Körpern, Vogelgesichtern und dem geölten, helmartigen Schopf.
    Er bat sie auf einen Drink herein. Mortons ließen sich auf der Couch nieder und hielten sich bei den Händen.
    „Wie habt ihr es herausgefunden?" erkundigte er sich neugierig.
    „Wir wissen alles", sagte Florence.
    „Wir haben unsere Spione überall", sagte Samuel.
    Daniel Blank lächelte. Fast stimmte es ja.
    „Da ist viel Geld", sagte Flo. „Von ihrem Großvater mütterlicherseits. Öl und Stahl. Muß das Geld nur so gescheffelt haben. Der feine Stall, das war die Familie ihres Vaters. Außer gutem Aussehen hat er kaum was geerbt. Man sagt, er sei der schönste Mann seiner Generation in Amerika gewesen. In Princeton hieß er nur 'Beau Montfort'. Aber sein Studium hat er nie beendet. Er flog raus, weil er jemanden aufs Kreuz legte - wer war's doch noch gleich, Samuel?"
    „Die Frau eines Dekans oder ein Spülmädchen - irgend so jemand. Egal - jedenfalls war's Ende der zwanziger Jahre. Und dann heiratete er all dies Öl und den Stahl, unterstützte Roosevelts Kampagne mit einer saftigen Spende und bildete sich ein, er würde Botschafter in London werden. Aber so dumm war FDR nun auch wieder nicht. Er ernannte Montfort zum 'Sonderbotschafter' und sorgte dafür, daß er aus Washington verschwand. Dieses Schlitzohr! Die Montforts aber genossen es. Sie soffen und beschworen Skandale herauf. Das Gespräch des Tages in Europa! Celia wurde in Lausanne geboren. Doch dann setzten sie sich in die Nesseln. Ihre Eltern ließen sich mit den Nazis ein, und Papa konnte den lieben Herrn Hitler gar nicht hoch genug preisen. Daraufhin ließ Roosevelt ihn natürlich fallen. Und von da an taten sie, soweit wir wissen, nichts weiter, als in großem Stil rumzugammeln."
    „Und was ist mit Celia?" fragte Daniel. „Ist Tony wirklich ihr Bruder?"
    Verwundert blickten sie ihn an.
    „Hast du daran gezweifelt?" fragte Flo.
    „Hast du es erraten?" fragte Sam.
    „Eindeutig gesagt hat es uns niemand", gab sie zu. „Kein Mensch weiß es mit Gewißheit."
    „Allerdings könnte Tony ihr Sohn sein." Flo nickte.
    „Altersmäßig kommt es hin." Sam nickte. „Aber verheiratet war sie nie. Soviel weiß man immerhin."
    „Es gibt Gerüchte."
    „Sie ist eine sonderbare Frau."
    „Und wer ist Valenter?"
    „In welcher Beziehung steht er zu ihr?"
    „Und zu Tony?"
    „Und wohin verreist sie so häufig?"
    „Und kommt mit blauen Flecken zurück? Was tut sie da?"
    „Warum wollen ihre Eltern sie nicht bei sich in Europa haben?"
    „Was ist los mit ihr?"
    „Wer ist sie?"
    „Mir ist das egal", flüsterte Daniel Blank. „Ich liebe sie."
    Eines Abends arbeitete er noch spät in seinem Büro. Vom Boten hatte er sich aus der Kantine einen Salat und schwarzen Kaffee heraufbringen lassen. Während er aß, ging er die letzte Fassung des Plans durch, den er der Herstellungsleitung am nächsten Tag vorlegen wollte: AMROK II sollte das Verhältnis zwischen Anzeigenteil und redaktionellem Teil aller Verlagserzeugnisse bestimmen.
    Der Entwurf erschien ihm gemäßigt im Ton, logisch aufgebaut und einleuchtend. Was fehlte, das erkannte Blank, war die Überzeugungskraft. Er war so aufregend wie eine Versicherungspolice und so begeisternd wie der Schriftsatz eines Anwalts für Körperschaftsrecht; er schob ihn über den Tisch, saß da und starrte darauf.
    Er wußte, daß es seine Schuld war: Er hatte das Interesse daran verloren. Gewiß, der Plan war durchaus brauchbar und

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