Die erste Todsuende
bitte", bestellte Delaney. „Irgendwelche Ideen, irgendwelche Mutmaßungen, irgendwelche verrückten Vorschläge, um was für eine Waffe es sich gehandelt haben könnte?"
„Keine Ahnung."
„War in der Wunde irgend etwas, das Sie dort nicht zu finden erwartet hatten? Etwas, das nicht in Ihrem Gutachten steht?"
Angestrengt sah Ferguson ihn einen Moment an, entspannte sich dann und lachte. „Sie geben nie auf, was? Es waren Ölspuren da."
„Ölspuren? Von was für Öl?"
„Nicht genug für eine Analyse. Aber zweifellos Haaröl. Er benutzte nämlich Haaröl, und deshalb nehme ich an, daß das Öl in der Wunde von den hineingetriebenen Haaren stammte."
„Noch was?"
„Ja. Da Sie zahlen, hätte ich gern noch einen Kognak."
Nachdem Ferguson in ein Taxi gestiegen war, um in sein Büro zurückzufahren, ging Delaney langsam in Richtung 6th Avenue. Ihm fiel ein, daß er ja nur wenige Blocks vom Blumenmarkt entfernt war, und lenkte seine Schritte dorthin. Er hatte es nicht eilig.
Am dritten Blumenstand fand er, was er suchte: Veilchen, deren Blütezeit längst vorüber war. Veilchen waren es, womit er Barbara umworben hatte. Damals waren sie von Straßenverkäufern verkauft worden, alten Frauen mit Körben neben alten Männern, die geröstete Kastanien verkauften. Er pflegte ein Sträußchen für Barbara zu kaufen und sie ihr mit einem: „Frisch geröstete Veilchen gefällig?" zu verehren. Sie hatte ihm jedesmal den Gefallen getan, darüber zu lachen. Jetzt kaufte er die letzten beiden Sträußchen, die der Händler hatte, und fuhr mit einem Taxi zum Krankenhaus.
Als er jedoch auf Zehenspitzen in ihr Zimmer trat, schlief sie friedlich, und er brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken. Er wickelte die Veilchen aus und sah sich suchend im Zimmer nach etwas um, in das er sie hineinstellen könnte, fand jedoch nichts. Er legte sie auf ihren Nachttisch und kritzelte auf ein Stück Papier: „Frisch geröstete Veilchen gefällig?"
Als er die Treppe zu seinem Büro hinaufstieg, wartete Dorfman mit einem eben eingegangenen Fernschreiben.
„Captain", sagte er mit erstickter Stimme, so daß Delaney schon fürchtete, er würde weinen, „hat das..."
„Jawohl, Lieutenant, das hat seine Richtigkeit. Von jetzt an habe ich unbezahlten Urlaub. Kommen Sie herein und lassen Sie uns darüber reden."
Dorfman folgte ihm hinein und setzte sich auf den verkratzten Stuhl neben Delaneys Schreibtisch.
„Captain, ich hatte ja keine Ahnung, daß Ihre Frau so krank ist."
„Nun ja, meiner Schätzung nach wird das eine ziemlich langwierige Sache, und ich wollte soviel Zeit bei ihr verbringen wie irgend möglich."
„Kann ich irgend etwas für Sie tun?"
„Vielen Dank, nein."
„Captain", fing Dorfman in klagendem Ton an, und sein langes Pferdegesicht wurde womöglich noch länger. „Ich nehme an, das bedeutet, daß wir einen kommissarischen Revierleiter bekommen, oder?"
„Ja."
„Haben Sie eine Ahnung, wer das sein wird, Sir?"
Delaney ging einen Augenblick mit sich zu Rate; er schämte sich, einen so redlichen und aufrichtigen Mann zu manipulieren. Aber um Dorfmans Vertrauen und seine Zuneigung zu ihm noch zu festigen, mußte er es tun.
„Ich habe Sie dafür vorgeschlagen, Lieutenant", sagte er ruhig.
Dorfmans hellblaue Augen weiteten sich vor Schreck.
„Mich?" fragte er atemlos. Und dann noch einmal: „Mich?" Doch er schien sich aufrichtig zu freuen.
„Warten Sie einen Augenblick." Delaney hob abwehrend die Hand. „Ich habe Sie zwar empfohlen, aber ich glaube nicht, daß Sie es werden. Nicht, weil ihre Personalakten nicht gut genug oder Sie der Aufgabe nicht gewachsen wären - was dagegenspricht, ist nur Ihr Dienstgrad. Das Revier braucht eigentlich einen Captain oder einen Deputy Inspector. Das verstehen Sie doch, oder?"
„Sicher, Captain. Aber ich muß ehrlich sagen, ich freue mich, daß Sie mich vorgeschlagen haben."
Delaney überlegte, ob er Dorfman andeuten sollte, daß man sich seiner möglicherweise als Kontaktmann für seine, Delaneys, Ermittlungsarbeit im Fall Lombard bedienen würde. Er beschloß, es nicht zu tun. Das war nicht der richtige Augenblick, und er hatte dem Mann ohnehin genug zu denken gegeben.
„Auf jeden Fall", sagte Delaney, „ob Sie nun zum kommissarischen Dienststellenleiter bestellt werden oder nicht, vergessen Sie nicht, daß ich immer noch nebenan wohne; und wenn es irgend etwas gibt, womit ich Ihnen helfen kann, zögern Sie nicht, mich anzurufen oder auf die Klingel zu
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