Die erste Todsuende
lachte.
„Keine Angst, Captain. Ich habe nie was davon gehalten, zu viel von einem Gericht zu essen. Kleine Portionen, aber mehrere Gänge - darin besteht die Kunst des Essens."
Er stand zu seinem Wort: Die Portionen waren klein. Delaney fand, daß dies eine der besten Mahlzeiten sei, die er jemals gegessen, und sagte das seinem Gastgeber auch. Langley strahlte vor Freude.
Sie hatten an einem einfachen, mit schwarzem Rupfen bespannten Eichentisch gegessen, und Delaney war überzeugt, daß dieser Tisch Langley gleichzeitig als Schreibtisch diente. Jetzt schoben sie ihre Stühle weit genug zurück, um die Beine übereinanderschlagen zu können, zu rauchen, Kaffee zu trinken und an dem starken portugiesischen Weinbrand zu nippen, den Langley anbot.
„Was diesen..." fing Delaney gerade an, doch da klingelte es familiär lang-kurz-kurz-lang, und Delaney sah verwundert, daß Langley kreidebleich wurde.
„Ach, du liebe Güte", flüsterte der alte Mann. „Schon wieder diese Person! Die Witwe Zimmerman! Sie wohnt direkt unter mir."
Er sprang auf, schritt durch den Raum, warf einen Blick durch das Guckloch und öffnete die Tür.
„Ahhh!" machte er. „Guten Abend, Mrs. Zimmerman."
Von seinem Stuhl aus konnte Delaney sie sehr gut sehen. Sie mochte sechzig sein, überragte Langley um etwa zwanzig Zentimeter und wog bestimmt fünfzig Pfund mehr als er. Sie balancierte einen Bienenkorb hochtoupierter messinggelber Haare über ihrem pausbäckigen Gesicht und war so stark korsettiert, daß ihr Körper wie aus einem einzigen Stamm herausgehauen wirkte; beim Gehen sah es aus, als ob ihre Beine sich nur von den Knien abwärts bewegten.
„Oh, ich hoffe, ich störe nicht", sagte sie mit einem einfältigen Lächeln und begutachtete Delaney kühn über Langleys Schulter hinweg. „Ich weiß, daß Sie Besuch haben. Ich hörte, wie Sie Einkaufen gingen und zurückkamen. Und dann hörte ich es bei Ihnen läuten, als Ihr Gast kam. Ich hatte nun gerade einen Pflaumenstrudel gebacken, und da dachte ich, Sie und Ihr Gast würden zum Nachtisch gern ein Stück davon probieren. Hier ist er."
Sie hielt Langley einen mit einer Serviette bedeckten Teller hin; mit spitzen Fingern nahm er ihn entgegen.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Zimmerman. Wollen Sie nicht herein..."
„Oh, ich möchte nicht stören. Nie und nimmer!"
Erwartungsvoll schwieg sie, doch Langley wiederholte seine Aufforderung nicht.
„Ich gehe am besten gleich wieder", sage die Witwe Zimmerman und sah schmollend zu Delaney hinüber.
„Vielen Dank für den Strudel."
„Es ist mir ein Vergnügen. Lassen Sie sich's schmecken."
Sie bedachte Langley mit einem Klein-Mädchen-Lächeln. Er machte die Tür fest hinter ihr zu und kehrte an den Tisch zurück. Mit flüsternder Stimme sagte er zu Delaney:
„Eine schreckliche Frau! Dauernd bringt sie mir was zu essen. Ich habe sie gebeten, das nicht zu tun, aber sie läßt sich nicht davon abhalten. Ich kann sehr wohl für mich selbst kochen. Schließlich tue ich das schon seit fünfzig Jahren."
„Ich glaube, die hat es auf Sie abgesehen!" sagte Delaney ernst.
„Ach, du liebe Güte!" Christopher Langley errötete. „Ihr Mann - ihr verstorbener Mann - war ein so netter, ruhiger Herr. Ein Kürschner im Ruhestand. Nun ja, ich trage das schnell in die Küche, und dann fahren Sie fort in dem, was Sie gerade sagen wollten."
„Haben Sie in der Zeitung über die Ermordung von Frank Lombard gelesen?" fragte der Captain, als Langley wieder da war.
„Ja, selbstverständlich habe ich davon gelesen. Alles, was ich finden konnte. Wenn ich nämlich von einem richtigen Mord in der Zeitung lese, wissen Sie, dann suche ich immer nach einer Beschreibung der Tatwaffe. Schließlich war das viele, viele Jahre hindurch mein Leben, und ich interessiere mich noch immer dafür. Doch in den Berichten über den Lombard-Mord war die Beschreibung der Waffe sehr vage gehalten. Ist sie bis jetzt noch nicht identifiziert worden?"
„Nein, das ist sie nicht. Deshalb bin ich ja hier. Weil ich Ihre Hilfe dabei brauche."
„Wie Sie wissen, ist es mir ein Vergnügen, Ihnen in jeder Weise behilflich zu sein, mein Lieber!"
Delaney hielt die Hand hoch wie ein Verkehrspolizist.
„Einen Augenblick, Sir. Ich will ehrlich Ihnen gegenüber sein. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, stehe ich im Augenblick nicht im aktiven Dienst, sondern habe mich beurlauben lassen. Ich habe mit den offiziellen Ermittlungen im Mordfall Lombard nichts zu
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