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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Abermals klingelte er an der Haustür. Die Witwe selbst riß die Tür auf, ein Willkommenslächeln auf dem leicht gedunsenen Gesicht, das sich augenblicklich verflüchtigte, als sie Delaney erkannte.
    „Himmelherrgott, Sie noch mal?"
    „Ja. Sagten Sie nicht, Sie wollten Ihr Auto verkaufen?"
    „Nicht mein Auto - beide Wagen. Wir hatten zwei. Und schlagen Sie sich's aus 'm Kopf, billig an ein Auto zu kommen. Sind beide schon verkauft."
    „Ihr Mann - Ihr verstorbener Mann war Autofahrer?"
    „Klar hat er Auto gefahren. Was glauben denn Sie?"
    „Wo hat er seinen Führerschein gewöhnlich aufbewahrt, Mrs. Lombard?"
    „O Gott!" rief sie, und sofort war der Mann mit den Ringen neben ihr.
    „Was 'n los, Kätzchen?" erkundigte er sich. „Scherereien?"
    „Scherereien nicht, Mann. Nur wieder so 'n Quatschkopf von der Polente. - In seiner Brieftasche", sagte sie dann an Delaney gewandt. „Den Führerschein hatte er immer in der Brieftasche. Zufrieden?"
    „Vielen Dank", sagte Delaney liebenswürdig. „Tut mir leid, daß ich Sie belästige. Es ist bloß, daß sein Führerschein nicht in der Brieftasche war, als wir sie fanden." Er hütete sich zu sagen, daß sie ausgesagt hätte, es fehle nichts darin.
    „Wahrscheinlich haben Sie ihn irgendwo im Haus."
    „Kann schon sein", sagte sie ungeduldig.
    „Wenn Sie ihn zufällig beim Packen finden, würden Sie uns dann Bescheid sagen? Wir müssen ihn ja bei der Verkehrsbehörde löschen lassen."
    „Klar, klar. Ich seh nach, ich seh nach."
    Er wußte, daß sie das nicht tun würde. Wozu auch - sie würde ihn ohnehin nie finden.
    „Noch was?" wollte sie wissen.
    „Nein, nichts. Haben Sie vielen Dank, Mrs. Lombard, daß Sie uns so bereitwillig geholfen haben."
    „Ach, hau'n Sie doch ab", sagte sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Er kehrte nach Hause zurück und ging noch einmal methodisch die Liste der persönlichen Habseligkeiten durch, die man bei der Leiche von Frank Lombard gefunden hatte; desgleichen noch einmal Mrs. Sophia Lombards Aussagen über die Besuchsgewohnheiten ihres Sohnes. Dann saß er in der zunehmenden Dunkelheit lange da. Einmal stand er auf und machte sich einen Whisky mit viel Soda zurecht, hielt das Glas in der Hand, nippte daran und dachte immer noch nach.
    Endlich zog er den Mantel über, setzte den Hut auf und ging hinaus, um eine Telefonzelle zu suchen. Diesmal mußte er fast eine Viertelstunde warten, ehe Thorsen zurückrief; drei Leute, die telefonieren wollten, machten in dieser Zeit wütend kehrt, einer von ihnen versetzte der Zelle sogar einen zornigen Fußtritt, ehe er ging.
    „Edward?" fragte Thorsen.
    „Ja, ich habe etwas. Und zwar etwas, von dem ich annehme, daß Broughton es nicht hat."
    Er hörte Thorsen vernehmlich nach Luft schnappen.
    „Ja?"
    „Lombard war Autofahrer und hatte einen Führerschein. Er hatte zwei Wagen. Seine Frau hat übrigens beide verkauft. Sie verläßt New York."
    „So?"
    „Sie sagt, er hätte den Führerschein in der Brieftasche bei sich gehabt. Das klingt glaubwürdig. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es so war. Aber der Führerschein war nicht drin. Ich habe das an Hand der Listen geprüft."
    Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment Schweigen.
    „Wegen eines Führerscheins bringt man keinen Menschen um", sagte Thorsen schließlich. „Eine gute Fälschung kann man schon für fünfzig Dollar bekommen."
    „Ich weiß."
    „Identifikation?" schlug Thorsen vor. „Ein gedungener Mörder. Er nimmt den Führerschein an sich, um seinem Auftraggeber zu beweisen, daß er Lombard wirklich aus dem Weg geräumt hat."

    „Wozu? Das stand ja am nächsten Tag sowieso in allen Zeitungen. Da wußte der Auftraggeber auch so, daß der Job erledigt war."
    „Ja, stimmt. Was meinen Sie? Warum ausgerechnet den Führerschein?"
    „Vielleicht doch, um den Beweis zu erbringen."
    „Aber Sie haben doch gerade gesagt..."
    „Kein gedungener Mörder. Ich denke an zwei Möglichkeiten. Nummer eins: Der Mörder nahm den Führerschein als Andenken mit, als Trophäe."
    „Das ist doch aber heller Wahnsinn, Edward."
    „Vielleicht. Die zweite Möglichkeit ist die, daß er den Führerschein mitnahm, um einem Dritten zu beweisen, daß er getötet hat. Nicht Lombard getötet, sondern überhaupt jemand, irgendwen. Da die Geschichte in die Zeitungen kam und der Mörder den Führerschein des Opfers vorweisen konnte, bewies er damit, daß er ihn umgebracht hatte."

    Diesmal dauerte das Schweigen

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