Die erste Todsuende
doppelt."
„Aber Mr. Blank, ich kann doch nicht..."
„Doppelt", sagte er mit Entschiedenheit. „Und von jetzt an, Mrs. Cleek, wenn der Kaffee aus der Kantine heraufkommt, gießen Sie ihn doch bitte um in meine neue Tasse und stellen Sie die auf meinen Schreibtisch, ja?"
„Jawohl, Mr. Blank."
„Merken Sie sich, was Sie ausgeben, auch fürs Taxi hin und zurück. Ich gebe Ihnen das Geld dann zurück. Das geht nicht auf Geschäftsunkosten ."
„Jawohl, Mr. Blank."
Er ließ die Sprechtaste los und griff nach dem Umschlag des Präsidenten , war aber kaum neugierig. Er wendete ihn in der Hand hin und her. Seufzend schlitzte er ihn schließlich auf und las die zweiseitige Aktennotiz rasch durch, in der ungefähr das stand, womit er angesichts seines mangelnden Enthusiasmus gerechnet hatte. Sein Vorschlag, AMROK II das Verhältnis zwischen redaktionellem und Anzeigen-Teil in allen Javis-Bircham-Blätternermittelnzulassen, wurde mit der Einschränkung aufgegriffen, daß das Verfahren zunächst einmal versuchsweise bei den auf beigefügtem Blatt aufgeführten zehn Zeitschriften ausprobiert werden sollte, und zwar zunächst für die Dauer von sechs Monaten. Danach wolle man einen Produktberater heranziehen und die Ergebnisse völlig unabhängig auswerten lassen.
Blank schob die Aktennotiz beiseite, streckte sich und gähnte. Dann nahm er sie wieder auf und verließ sein Büro.
„Ich bin im Computer-Raum", sagte er, als er an Mrs. Cleeks Schreibtisch vorüberging. Sie schenkte ihm ein strahlendes, hoffnungsvolles Lächeln.
Er unterzog sich der unsinnigen Routine des Weißen-Kittel-Anziehens- und -Kappe-Aufsetzens und versammelte dann die Sondereinsatzgruppe um den Stahltisch. Er ließ die Liste mit den zehn Zeitschriften herumgehen, hielt es im Augenblick jedoch nicht für klug, ihnen auf die Nase zu binden, daß es sich zunächst um ein zeitlich begrenztes Experiment handelte.
„Wir haben grünes Licht bekommen", sagte er und hoffte, daß in seinen Worten genug Begeisterung mitschwang. „Mit diesen Zeitschriften hier fangen wir an. Ich würde gern eine Aufstellung über die Prioritäten bei der Programmierung machen. Irgendwelche Vorschläge?"
Die Diskussion begann zu seiner Linken und lief dann um den ganzen Tisch herum. Er lauschte ihnen allen und beobachtete ihre bleichen, geschlechtslosen Gesichter, hörte jedoch nicht ein einziges Wort von dem, was sie sagten.
„Ausgezeichnet", sagte er gelegentlich. Oder: „Sehr gut." Oder: „Das müssen wir vorerst noch zurückstellen." Oder: „Nun ja... ich möchte das nicht rundweg ablehnen, aber..." Es spielte keine Rolle: was sie sagten oder was er sagte. Es war bedeutungslos.
Bedeutsam wurden die Dinge erst, glaube ich, als meine Frau und ich uns trennten. Oder als sie im Bett nicht die Sonnenbrille aufsetzen wollte. Ach, vermutlich fing es schon viel früher an, nur war es mir nicht bewußt. Ich war mir der Sonnenbrillen und Masken bewußt. Und dann, später, der Freiübungen, der Perücken, der Kleidung, der Wohnung... der Spiegel. Und daß ich nackt in Ketten dastand. All dessen war ich mir durchaus bewußt. Ich meine, ich wußte, was da geschah.
Was mit mir geschah - noch mit mir geschieht - ist, daß ich meinen Weg erfühle. Erfühlen, das ist ein gutes Wort - das hat mehr mit Gefühl zu tun als mit Tastsinn - ich erfühle mir meinen Weg zu einer neuen Sicht der Realität. Vorher, vor den Sonnenbrillen, nahm ich die Dinge auf eine männliche Art wahr, dachte logisch, nüchtern, vertikal, genauso wie AMROK II. Und jetzt... und jetzt entdecke und erforsche ich eine weibliche, eine horizontale Wahrnehmung der Realität.
Dazu gehört, daß ich die kalte Ordnung ablehne - das heißt, die logische, intellektuelle Ordnung - und eine tiefere Ordnung erkenne, die ich erst jetzt - irgendwo - undeutlich und nur flüchtig wahrnehme, eine viel tiefergehende und umfassendere Ordnung, denn... Die Ordnung, die ich bis jetzt gekannt habe, ist eng und beschränkt gewesen, festgefügt und diszipliniert. Aber das erklärt nicht... nicht alles.
Diese weibliche, horizontale Sicht hat etwas Umfassendes. Sie erklärt die scheinbare Unlogik und den offenbaren Wahnsinn der Schöpfung - nun ja, diese Sicht schließt zwar Wissenschaft und Logik nicht aus, bietet aber mehr als nur das - ein emotionales Bewußtsein von den Menschen und vom Leben.
Aber ist sie nur emotional? Oder geistig? Jedenfalls gehört die Notwendigkeit dazu, das Chaos zu akzeptieren — das Chaos außerhalb
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