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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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dagegen, da er die Arbeiten in seiner Freizeit machte und ihr bei ihren großen Kunden nicht ins Gehege kam.
    Sein privater Kundenstamm wuchs. Es war keine Kleinigkeit, sich nach einem Achtstundentag zu Hause noch weitere zwei bis drei Stunden an die Arbeit zu setzen. Aber er besprach die Sache mit Monica - er besprach überhaupt alles mit Monica -, und sie kamen überein, daß er, wenn er durchhielt, sich vielleicht in fünf oder zehn Jahren selbständig machen konnte. Es war möglich. Monica beschloß, einen Buchhaltungskurs zu besuchen, studierte daheim, und nach einer gewissen Zeit konnte sie, nachdem sie sich tagsüber um die Wohnung und die Kinder gekümmert hatte, ihm abends an die Hand gehen. Sie waren beide richtige Arbeitstiere, dachten jedoch nie darüber nach und wären erstaunt gewesen, wenn jemand ihnen gesagt hätte, daß sie hart arbeiteten. Was denn sonst?
    Da lebten sie also im zweiten Stock eines Mietshauses ohne Fahrstuhl in der East 84th Street. Elegant war die Wohnung nicht, aber Monica hatte sie fröhlich gestrichen, und sie hatten zwei Schlafzimmer und eine große Küche, in der Monica die wunderbarste Matze machte, die man sich denken konnte, besaßen einen Plattenspieler und sämtliche Aufnahmen von Isaac Stern und einen Kartentisch, an dem er arbeiten konnte. Luxuriös war es nicht, das mußte er zugeben, aber er schämte sich der Wohnung nicht, und bisweilen luden sie Freunde oder Nachbarn zu sich ein und lachten. Ab und zu gingen sie sogar mit den Kindern in ein teures Restaurant zum Essen und taten ungeheuer ernst und feierlich, obwohl sie sich am liebsten ausgeschüttet hätten vor Lachen.
    Am schönsten aber war es, wenn er und Monica spätabends mit der Arbeit Schluß machten, nach Mitternacht, während die Kinder schliefen, zusammen auf der Couch saßen, sich eine leise gestellte Vivaldi-Platte anhörten und einfach beieinander waren. Für solche Augenblicke wäre er bereit gewesen, sich sein Leben lang zu schinden. Und wenn Monica seine eingefallenen Wangen mit zärtlichen Küssen bedeckte... Ach!
    An Augenblicke wie diese dachte er, als er aus dem 1 st-Avenue-Bus ausstieg. Es war noch nicht einmal Mitternacht. Oder vielleicht kurz danach. Er war unten in Manhatten gewesen, wo er sich die Bücher einer kleinen Privatklinik angesehen hatte. Möglich, daß ihm hier ein neuer Kunde zuwuchs, ein guter und großer. Die Besprechung mit den Ärzten hatte länger gedauert als angenommen. Geduldig hatte er ihnen auseinandergesetzt, was sie nach den Steuergesetzen tun konnten und was nicht. Er hatte das Gefühl, daß er Eindruck auf sie gemacht hatte. Sie hatten gesagt, sie müßten sich noch darüber unterhalten und würden ihm binnen einer Woche Bescheid geben. Er hatte ein gutes Gefühl, nahm sich jedoch vor, sich nicht allzu optimistisch zu geben, wenn er mit Monica darüber sprach. Falls...
    Er bog in seine Straße ein. Sie war noch nicht mit der neuen Straßenbeleuchtung ausgestattet, und weiter vorn, im fahlen Licht, sah er einen Mann auf sich zukommen. Selbstverständlich war er sogleich auf der Hut - um diese Stunde hier in New York! Doch als sie näher aufeinander zukamen, sah er, daß der Mann ungefähr in seinem Alter war, gut gekleidet, mit einem sich im Wind bauschenden Mantel. Die linke Hand in der Tasche, den rechten Arm hin und her schwingend, schritt er sorglos einher.
    Sie waren nicht mehr weit voneinander entfernt. Bernard sah, daß der andere ihn nicht aus den Augen ließ. Aber er lächelte. Gilbert erwiderte das Lächeln. Offenbar lebte der Mann in der Nachbarschaft und wollte freundlich sein. Gilbert beschloß, „Guten Abend" zu sagen.
    Sie waren zwei Schritte voneinander entfernt, und er hatte „Guten..." gesagt, als die rechte Hand des Mannes pfeilschnell unter dem Mantel verschwand und mit etwas, das einen Griff, eine Spitze hatte, wieder zum Vorschein kam, etwas, das sogar im matten Schein der Straßenbeleuchtung schimmerte.
    Bernard Gilbert kam nicht mehr dazu,.....Abend" zu sagen. Er merkte noch, wie er innehielt und zurückwich. Doch das Ding war in der Luft und sauste herab. Schützend wollte er den Arm heben, doch er war wie Blei. Er sah das Gesicht des Mannes: hübsch und zärtlich und ohne jeden Haß darin, auch kein Wahnsinn, eher etwas Leidenschaftliches. Irgend etwas traf Bernard Gilberts Stirn, schmetterte ihn zu Boden, und er merkte, daß er stürzte, spürte, wie er mit dem Rücken auf den Bürgersteig prallte, überlegte, was aus seiner neugefundenen

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