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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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trauriges kleines „Porträt eines Mörders" vertiefte, dachte Edward Delaney daran, daß es diesen Menschen gab, daß er möglicherweise nicht einmal weit von dieser Stelle entfernt, wo er jetzt saß, lebte. Er überlegte, was in diesem Mann vorgehen, wovon er träumen mochte, was er sich erhoffte und was er vorhatte.
    Delaney trug, als er am nächsten Morgen vor zehn Uhr das Haus verließ und eine Telefonzelle in einem Süßwarenladen benutzte, seinen Wintermantel, denn der Novembertag war frostig, und es roch nach Schnee. Er wählte die Nummer von Thorsens Auftragsdienst, hinterließ die Nummer, von der aus er anrief, und wartete geduldig. Innerhalb von fünf Minuten rief Thorsen zurück.
    „Ich habe nichts zu melden", sagte Delaney flau. „Nichts."
    „Nehmen Sie's nicht so schwer, Edward. Broughton hat auch nichts."
    „Ich weiß."
    „Dafür habe ich eine gute Nachricht für Sie."
    „Und zwar?"
    „Es ist uns gelungen, Lieutenant Dorfman zum kommissarischen Leiter von Zwei-fünf-eins ernennen zu lassen."
    „Das freut mich. Vielen Dank!"
    „Aber nur für sechs Monate. Danach müssen entweder Sie den Posten wieder übernehmen, oder wir sind gezwungen, einen Captain oder einen Inspector einzusetzen."
    „Ich verstehe. Aber immerhin! Auf diese Weise läßt sich das Problem mit Lombards Führerschein lösen."
    „Worin besteht das Problem?"
    „Ich bin zwar beurlaubt, werde aber im Präsidium immer noch geführt. Folglich muß ich den Führerschein als vermißt melden."
    „Edward, Sie machen sich zuviel Gedanken."
    „Ja, ich weiß. Aber ich muß es melden."
    „Das bedeutet, daß Broughton davon erfährt."
    „Möglich. Wenn es jedoch zu noch einem Mord kommt — und davon bin ich fest überzeugt - und Pauleys Männer feststellen, daß der Führerschein des Opfers oder sonst irgend etwas fehlt, werden sie noch einmal bei Lombards Witwe in Florida Rückfrage halten. Sie wird ihnen erzählen, daß ich bereits danach gefragt habe und daß sie ihn nicht finden könne. Und dann bin ich geliefert. Dann kann Broughton mich wegen Unterschlagung von Beweismaterial zur Rechenschaft ziehen."
    „Und wie wollen Sie die Sache deichseln?"
    „Soweit ich mich erinnere, werden vom Revier aus über verlorene oder gestohlene Führerscheine Meldungen ans Verkehrsamt geschickt, von wo aus sie an die Zentralstelle für Kraftfahrzeuge des Staates New York weitergeleitet werden. Ich werde Dorfman bitten, das übliche Formblatt auszufüllen. Aber man muß damit rechnen, daß Broughton übers Verkehrsamt davon erfährt. Wenn dort die Meldung eingeht, daß Frank Lombards Führerschein vermißt wird, fängt irgendwer bestimmt an zu schreien."
    „Keine Angst. Wir haben jemand im Verkehrsamt sitzen."
    „Das dachte ich mir schon."
    „Sagen Sie Dorfman, er soll das übliche Formular ausfüllen, soll mich anrufen, ehe er es abschickt. Ich sage ihm dann, an wen er es schicken soll. Die Meldung wird vom Verkehrsamt an die Zentralstelle weitergeleitet, aber niemand wird Broughton darüber informieren. Zufrieden?" „Ja."
    „Ach, übrigens Edward..."
    „Ja?"
    „Kommen Sie wirklich überhaupt nicht weiter? Auch wenn Sie vorläufig noch nicht darüber reden möchten..."
    „Doch", log Delaney. „Ich komme weiter."
    Mit gesenktem Kopf, die Hände tief in den Taschen vergraben, schlenderte er durch den feuchten, trüben Tag nach Hause zurück. Es bedrückte ihn, daß er Thorsen angelogen hatte. Es bedrückte ihn immer, wenn er zu irgendwelchen Kniffen Zuflucht nehmen mußte. Er tat es zwar, aber nur ungern.
    Als er sich seinem Haus näherte, sah er Lieutenant Dorfman dort stehen. Strahlend kam Dorfman ihm entgegen und schüttelte Delaney die Hand.
    „Man hat mir die kommissarische Leitung übertragen, Captain", rief er. „Für sechs Monate. Vielen Dank."
    „Sehr gut!" Delaney lächelte und packte Dorfman bei der Schulter. „Kommen Sie, trinken Sie einen Kaffee mit mir und erzählen Sie."
    Sie saßen in der Küche, und es amüsierte Delaney zu beobachten, wie Dorfman bereits die Vorrechte seines neuen Ranges für sich in Anspruch nahm. Er knöpfte sich die Uniformbluse auf und saß mit weit von sich gestreckten Beinen da. Es wäre ihm nie eingefallen, eine solche Haltung im Büro des Captains einzunehmen, doch Delaney konnte es verstehen und billigte es sogar.
    Er las das Fernschreiben, das Dorfman mitgebracht hatte, und lächelte abermals.
    „Ich kann Ihnen nur noch mal wiederholen, was ich Ihnen früher schon gesagt habe. Ich bin

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