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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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aufsperrte, brach sie in Lachen aus, und da merkte er, daß es Celia Montfort war.

    Aber was für eine Celia! Sie trug eine schulterlange blonde Perücke, deren Haar sich an den Spitzen leicht nach oben wellte. Starkes Make-up und leuchtend roter Lippenstift. Ein Kostüm aus grobem Tweed, dazu eine zerknitterte Bluse. Eine Kette aus auffallend großen Perlen. Blutrot gelackte Fingernägel. Und - nicht zu übersehen - ein ausgestopfter Büstenhalter.
    Sie hatte seine Ex-Frau nie gesehen, nie ein Foto von ihr in der Hand gehabt, doch die Ähnlichkeit war frappierend. Das Massige war da, das strotzend-gesunde Aussehen, das Farbenfrohe, der federnde Gang, die Art, wie sie mit Ellbogen und Schultern ruckte.

    „Mein Gott", sagte Daniel bewundernd. „Du bist großartig!"
    „Seh ich aus wie sie?"
    „Man sollte es nicht glauben. Aber wozu?"
    „Ach... nur so zum Spaß, wie Tony sagen würde. Ich dachte, es würde dir gefallen?"
    „Das tut es. Ja, wirklich! Mein Gott, genau wie sie! Du hättest wirklich Schauspielerin werden sollen!"
    „Das bin ich", sagte sie. „Immer und überall. Willst du mich nicht hereinbitten?"
    „Oh, natürlich. Du, paß auf, Mortons sind da. Ich werde dich ihnen als Gilda präsentieren. Ich möchte sehen, wie sie reagieren."
    Er ging ihr zum Wohnzimmer voran.
    „Es ist Gilda", rief er strahlend und trat beiseite.
    Celia verweilte an der Schwelle, stellte sich in Positur und schenkte Mortons ein strahlendes Lächeln.
    „Gilda!" rief Florence und winkte ihr zu. „Wie nett, dich..." Sie hielt inne.
    Dann brachen Celia und Daniel in Lachen aus, und gleich darauf lachten auch Mortons.
    Flo trat herzu und umarmte Celia. Dann klopfte sie ihr leicht auf die wattierten Schultern und aufs Hinterteil.
    „Ein ausgestopfter Hintern", berichtete sie den Männern. „Und ein Schaumgummibusen. Mein Gott, du hast aber auch an alles gedacht."
    „Findet ihr, ich sehe ihr ähnlich?"
    „Ähnlich?" sagte Sam. „Die reinste Doppelgängerin. Selbst das Make-up."
    „Vollkommen." Flo nickte. „Selbst die Fingernägel. Wie hast du das nur gemacht?"
    „Erraten", sagte Celia.
    „Und richtig geraten", sagte Daniel. „Aber willst du nicht deine Jacke ausziehen und es dir bequem machen?"
    „O nein. Ich finde das so sehr schön."
    „Wie du willst. Wodka?"
    „Bitte."
    Er ging in die Küche, um neue Drinks für sie alle zu bereiten. Als er zurückkam, hatte Celia sämtliche Lichter bis auf eine Stehlampe ausgemacht, und in dem halbdunklen Raum sah sie womöglich noch mehr aus wie seine frühere Frau. Die Ähnlichkeit war erschlagend, selbst die Art, wie sie aufrecht im Sessel saß, die Füße auf dem Boden nebeneinander, die Knie leicht geöffnet, als ob der Umfang ihrer Schenkel eine schicklichere Pose nicht zuließe. Er fühlte... etwas.
    „Warum die Verkleidung?" frage Flo.
    „Zu welchem Zweck?" fragte Sam.
    Celia Montfort fuhr sich mit den Fingern durch das blonde Haar und lächelte ihr geheimnisvolles Lächeln.
    „Habt ihr so was noch nie tun wollen?" fragte sie. „Den Wunsch hat doch jeder. Von sich selbst abrücken. Den Beruf an den Nagel hängen, die Frau, den Mann, die Familie im Stich lassen, sein Heim und allen Besitz zurücklassen, nackt dastehen, falls das möglich ist, in eine andere Straße ziehen, in eine andere Stadt, ein anderes Land, eine andere Welt, jemand anderes werden. Mit einem neuen Namen, einer neuen Persönlichkeit, neuen Bedürfnissen und Neigungen und Träumen. Jemand völlig anderes werden, jemand völlig Neues. Vielleicht wird es schlimmer, vielleicht wird es besser — auf jeden Fall wird es anders. Und vielleicht hat man eine Chance in der neuen Haut, eine ganz kleine Chance. Als ob man noch einmal auf die Welt kommt. Findest du nicht, Daniel?"
    „Ja." Er nickte eifrig. „Das finde ich auch."
    „Ich nicht", sagte Sam. „Ich bin gern der, der ich bin."
    „Und ich bin auch gern die, die ich bin", sagte Flo. „Außerdem, im Grunde kann man ja doch niemand anderes werden!"
    „Kann man nicht?" fragte Celia träge. „Wie langweilig!"
    Sie stritten über die Möglichkeit, sich persönlich zu ändern, wesentlich zu verändern. Blank hörte sich die mit lauter Stimme vorgebrachten Verneinungen der beiden Mortons an und spürte eine lauernde, perverse Gefahr: Er war versucht, sie eines Besseren zu belehren, ihnen ruhig, mit einem kühlen, sardonischen Lächeln auf den Lippen zu sagen: „Ich habe mich verändert. Ich habe Frank Lombard getötet." Doch er widerstand der

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