Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
tatsächlich den Verstand verloren – aber es verschlimmert sich. Diana weiß es nicht. Sie sieht mich nur, wenn ich – normal bin.«
»Und wenn Sie – nicht normal sind – was geschieht dann?«
Hugh Chandler schöpfte tief Atem und erklärte:
»Erstens träume ich, und wenn ich träume, bin ich wahnsinnig. Vorige Nacht zum Beispiel war ich kein Mensch mehr. Ich war zuerst ein rasender Stier – ein rasender Stier, der in der glühenden Sonne herumtobte –, und ich schmeckte Blut und Staub in meinem Mund – Blut und Staub… Und dann war ich ein Hund – ein großer, sabbernder Hund. Ich hatte die Tollwut – Kinder stoben auseinander und flohen, wenn ich kam, Männer wollten mich erschießen – irgendjemand stellte mir eine Schüssel Wasser hin, aber ich konnte nicht trinken, Monsieur Poirot, ich konnte nicht schlucken… O mein Gott, ich war nicht imstande zu trinken…«
Er stockte. »Ich erwachte, und ich wusste, dass alles wahr sei. Ich ging zum Waschtisch. Mein Mund war ausgedörrt – ganz ausgedörrt – und trocken. Ich war durstig. Aber ich konnte nicht trinken, Monsieur Poirot… Ich konnte nicht schlucken… Ich konnte nicht trinken…«
Hercule Poirot murmelte beschwichtigende Worte. Hugh Chandler fuhr in seiner Rede fort. Seine Hände umklammerten krampfhaft seine Knie, sein Gesicht war vorgeschoben, seine Augen waren halb geschlossen, als sähe er etwas auf sich zukommen.
»Und dann gibt es Dinge, die keine Träume sind. Dinge, die ich sehe, wenn ich hellwach bin, Gespenster, grauenhafte Gestalten. Sie grinsen mich an. Und manchmal kann ich fliegen, aus dem Bett steigen und durch die Luft fliegen, auf den Wolken reiten – und Unholde leisten mir Gesellschaft!«
»Ta – ta«, machte Hercule Poirot.
Es war ein sanft missbilligendes Geräusch.
Hugh Chandler wandte sich ihm zu.
»Oh, es gibt keinen Zweifel mehr. Es steckt in meinem Blut. Es ist mein Erbteil. Ich kann dem Schicksal nicht entrinnen. Gott sei Dank habe ich es rechtzeitig bemerkt, ehe ich Diana geheiratet habe. Denken Sie, wenn wir ein Kind gehabt und ihm diese grauenhafte Krankheit vererbt hätten!«
Er legte seine Hand auf Poirots Arm:
»Sie müssen es ihr begreiflich machen. Sie müssen ihr sagen, dass sie vergessen muss. Sie muss vergessen. Eines Tages wird irgendein anderer da sein. Steve Graham zum Beispiel – er ist wahnsinnig verliebt in sie, und er ist ein furchtbar guter Kerl. Sie wäre glücklich mit ihm – und geborgen. Ich will, dass sie glücklich wird. Graham ist natürlich arm, und ihre Familie auch, aber wenn ich nicht mehr bin, sind sie versorgt!«
Hercule Poirots Stimme unterbrach ihn.
»Warum werden sie ›versorgt‹ sein, wenn Sie nicht mehr sind?«
Hugh Chandler lächelte. Es war ein sanftes, gewinnendes Lächeln. Er erklärte:
»Das Geld meiner Mutter ist da. Sie war eine reiche Erbin, wissen Sie. Sie hat mir das Geld hinterlassen. Ich habe alles Diana vermacht.«
Hercule Poirot lehnte sich zurück. Ein Ah entfuhr seinen Lippen.
»Aber Sie können ein sehr alter Mann werden, Mr Chandler«, bemerkte er dann.
Hugh Chandler schüttelte den Kopf und wehrte scharf ab:
»Nein, Monsieur Poirot, ich habe nicht die Absicht, ein alter Mann zu werden.«
Plötzlich wich er schaudernd zurück.
»O Gott! Schauen Sie!« Er starrte über Poirots Schulter. »Dort – neben Ihnen –, es ist ein Skelett; es klappert mit den Knochen. Es ruft mich – es winkt mir – «
Seine Augen starrten mit geweiteten Pupillen ins Sonnenlicht. Er lehnte sich plötzlich zur Seite, als wollte er ohnmächtig werden.
Dann wandte er sich zu Poirot und flüsterte fast mit einer Kinderstimme:
»Sie haben – nicht irgendetwas gesehen?«
Poirot schüttelte langsam den Kopf.
Hugh Chandler sagte heiser:
»Ich mache mir nicht so viel daraus – aus diesen Halluzinationen. Was mir Angst macht, ist das Blut. Das Blut in meinem Zimmer – auf meinen Kleidern… Wir hatten einen Papagei. Eines Morgens lag er mit durchschnittener Kehle in meinem Zimmer – und ich lag auf dem Bett, in meiner Hand ein Rasiermesser, noch nass von seinem Blut!«
Er beugte sich tiefer zu Poirot hinüber.
»Jüngst wurden Tiere getötet«, flüsterte er. »Hier im Umkreis – im Dorf – draußen auf den Feldern. Schafe, junge Lämmer – ein Schäferhund. Vater sperrte mich ein, aber manchmal – manchmal ist die Tür morgens offen. Ich muss einen Schlüssel irgendwo versteckt haben, aber ich weiß nicht wo. Ich weiß es nicht. Ich bin es nicht,
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