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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verstehe nicht ganz, was sie sich vorstellt, dass Sie tun können?«
    »Miss Maberly«, erklärte Poirot, »ist eine kämpferische Natur.«
    Colonel Frobisher nickte eifrig zustimmend.
    »Ja, sie ist die echte Kampfnatur. Sie ist ein Prachtmädel – will den Kampf nicht aufgeben. Aber leider gibt es Dinge, gegen die man nicht aufkommen kann.«
    Er sah plötzlich alt und müde aus.
    Poirot dämpfte seine Stimme noch mehr. Er murmelte diskret: »Wie ich verstanden habe, ist Geisteskrankheit in der Familie?«
    Frobisher nickte.
    »Taucht nur ab und zu auf – «, flüsterte er. »Überspringt ein bis zwei Generationen. Hughs Großvater war der letzte.«
    Poirot warf einen raschen Blick auf die anderen drei Anwesenden. Diana machte tapfer Konversation. Sie lachte und neckte Hugh. Man hätte die drei für die sorglosesten Menschen der Welt halten können.
    »Welche Formen nahm der Wahnsinn an?«, forschte Poirot leise weiter.
    »Der alte Junge wurde zum Schluss ziemlich rabiat. Er war bis dreißig ganz gesund – vollkommen normal. Dann begann er etwas wunderlich zu werden. Es dauerte eine Weile, bis die Leute es bemerkten. Dann begannen Gerüchte zu kursieren. Man munkelte. Dinge ereigneten sich, die vertuscht wurden. Aber – «, er hob die Schultern, »er endete in totalem Wahnsinn, der arme Teufel! Er wurde gefährlich und musste amtlich für geisteskrank erklärt werden.«
    Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu:
    »Er wurde, glaube ich, sehr alt… Das ist es, wovor Hugh sich fürchtet. Darum will er keinen Arzt konsultieren. Er fürchtet, dass man ihn einsperrt und er jahrelang eingesperrt weiterleben muss. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ich würde genauso empfinden.«
    »Und wie nimmt Admiral Chandler die Sache auf?«
    »Es hat ihn völlig gebrochen.« Frobisher sprach abgehackt.
    »Liebt er seinen Sohn sehr?«
    »Er geht in ihm auf. Wissen Sie, seine Frau ertrank bei einem Bootsunglück, als der Junge erst zehn Jahre alt war. Seither hat er nur für das Kind gelebt.«
    »Ist er sehr an seiner Frau gehangen?«
    »Er hat sie angebetet. Jedermann betete sie an. Sie war – sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gekannt habe.« Er schwieg einen Augenblick und stieß dann hervor: »Wollen Sie ihr Porträt sehen?«
    »Es würde mich sehr interessieren.«
    Frobisher schob seinen Stuhl zurück. Laut verkündete er:
    »Ich zeige Monsieur Poirot ein paar Sachen. Er ist ein Kunstkenner.«
    Der Admiral winkte zerstreut. Frobisher stapfte die Terrasse entlang, und Poirot folgte ihm. Für einen Augenblick ließ Diana die Maske der Heiterkeit fallen, und er las die bange Frage auf ihren Zügen. Hugh hob den Kopf und blickte den kleinen Mann mit dem großen Schnurrbart ruhig an.
    Poirot folgte Frobisher ins Haus. Nach dem Sonnenlicht draußen war es drinnen so dunkel, dass er die Gegenstände kaum unterscheiden konnte. Aber er bemerkte, dass das Haus mit schönen alten Sachen angefüllt war.
    Colonel Frobisher führte Poirot in die Gemäldegalerie. An den getäfelten Wänden hingen Porträts der verstorbenen Chandlers. Ernste und heitere Gesichter, Männer in Hofkleidung oder Marineuniformen. Frauen in Perlen und Seide.
    Schließlich blieb Frobisher unter einem Porträt am Ende der Galerie stehen.
    »Von Orpen gemalt«, sagte er mit rauer Stimme.
    Sie standen beide da und blickten zu einer großen, schlanken Frau empor, die einen Windhund am Halsband hielt. Eine Frau mit kastanienbraunem Haar und einem Ausdruck strahlender Lebensfreude.
    »Der Junge ist ihr Ebenbild«, meinte Frobisher, »finden Sie nicht?«
    »In manchen Dingen, ja.«
    »Er hat natürlich nicht ihre Zartheit – ihre Weiblichkeit. Er ist eine männliche Ausgabe – aber in allem Wesentlichen – « Er brach ab. »Schade, dass er von den Chandlers das Einzige geerbt hat, das er sehr gut hätte entbehren können…«
    Sie schwiegen.
    Es lag eine Melancholie in der Luft, die sie umgab – als würden die verstorbenen Chandlers über die schreckliche Krankheit seufzen, die ihre Familie seit Generationen immer wieder heimsuchte… Hercule Poirot wandte den Kopf, um seinen Gefährten anzusehen.
    George Frobisher blickte noch zu der schönen Frau an der Wand empor. Und Poirot fragte leise:
    »Sie kannten sie gut?«
    Frobisher stieß mühsam hervor:
    »Wir sind zusammen aufgewachsen. Ich ging als junger Offizier nach Indien, als sie sechzehn Jahre alt war… Als ich heimkam, war sie Chandlers Frau.«
    »Kannten Sie ihn auch gut?«
    »Chandler ist einer

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