Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Kanal überquert, den Zoll in Calais passiert, den Pariser Zug bestiegen und im Speisewagen gegessen. Aber als Miss Burshaw in den Vororten von Paris die Köpfe ihrer Schutzbefohlenen zählte, entdeckte man, dass nur achtzehn Mädchen da waren.
»Aha«, Poirot nickte. »Ist der Zug irgendwo stehen geblieben?«
»In Amiens, aber um diese Zeit waren die Mädchen im Speisewagen, und sie erklärten einstimmig, dass Winnie damals noch mit ihnen war. Sie haben sie sozusagen auf dem Rückweg in ihre Abteile verloren. Das heißt, sie kam nicht mit den anderen fünf in ihr eigenes Abteil zurück. Die Mädchen dachten nicht, dass das etwas zu bedeuten habe, sie dachten einfach, sie sei in einem der übrigen reservierten Abteile.«
Poirot nickte.
»Wann genau wurde sie zum letzten Mal gesehen?«
»Ungefähr zehn Minuten nachdem der Zug Amiens verlassen hatte.« Japp hüstelte diskret. »Sie wurde zuletzt gesehen – hm –, als sie in die Toilette ging.«
Poirot murmelte:
»Sehr natürlich.« Er fuhr fort: »Ist das alles?«
»Nein, noch etwas.« Japp machte ein grimmiges Gesicht. »Ihr Hut wurde neben dem Geleise gefunden ungefähr 20 Kilometer von Amiens entfernt.«
»Aber keine Leiche?«
»Keine Leiche.«
»Was ist Ihre Ansicht?«, fragte Poirot.
»Schwer, sich ein Bild zu machen! Da man keine Spur ihrer Leiche gefunden hat, kann sie nicht aus dem Zug gefallen sein.«
»Hat der Zug nach Amiens denn überhaupt noch einmal gehalten?«
»Nein, er hat einmal das Tempo verlangsamt – wegen eines Signals, aber er blieb nicht stehen, und ich bezweifle, dass er das Tempo genug verlangsamt hat, damit jemand abspringen konnte, ohne sich schwer zu verletzen. Sie glauben vielleicht, dass das Kind Angst bekommen und versucht hat fortzulaufen? Es war ihr erstes Semester, und sie hatte vielleicht Heimweh, das mag sein, aber immerhin ist sie fünfzehneinhalb, ein vernünftiges Alter, und sie war während der ganzen Fahrt heiter und hat munter drauflosgeschwätzt und so weiter.«
»Hat man den Zug durchsucht?«
»O ja, man hat ihn gründlich durchsucht, bevor er in die Gare du Nord einfuhr. Das Mädchen war nicht im Zug, das steht fest.«
Japp fügte erbittert hinzu:
»Sie ist einfach verschwunden – sie hat sich in die leere Luft verflüchtigt. Es geht über meinen Verstand, Monsieur Poirot. Es ist toll!«
»Was für ein Mädchen war sie?«
»Ganz normaler Typ, soviel ich weiß.«
»Ich meine, wie sah sie aus?«
»Ich habe eine Amateuraufnahme von ihr hier. Sie ist nicht gerade eine erblühende Schönheit.«
Er reichte die Aufnahme Poirot, der sie schweigend studierte.
Sie stellte ein hochaufgeschossenes Mädchen mit zwei Zöpfen dar. Es war kein gestelltes Bild und offenbar ohne Wissen von Winnie King aufgenommen. Sie aß gerade einen Apfel, ihre Lippen waren halb geöffnet und ließen leicht hervorstehende Zähne mit einer Zahnspange sehen. Sie trug eine Brille.
Japp sagte:
»Ein hässliches Kind – aber es ist das undankbarste Alter! Ich war gestern bei meinem Zahnarzt und sah im Sketch ein Bild von Marcia Gaunt, der diesjährigen englischen Schönheitskönigin. Ich kann mich erinnern, wie sie mit fünfzehn aussah, als ich wegen der Einbruchsgeschichte auf dem Schloss war. Miserabler Teint, linkisch, mit hervorstehenden Zähnen und strähnigem, ungepflegtem Haar. Und über Nacht werden sie Schönheiten – ich weiß nicht, wie sie es anstellen! Es ist ein Wunder.«
Poirot lächelte.
»Die Frauen«, meinte er, »sind ein Geschlecht der Wunder! Was sagt die Familie der Kleinen? Kann sie uns irgendwie an die Hand gehen?«
Japp schüttelte den Kopf.
»Leider nicht. Die Mutter ist leidend. Der arme alte Kanonikus King ist wie vor den Kopf geschlagen. Er schwört, dass sie entzückt war, nach Paris zu gehen, dass sie sich die ganze Zeit darauf gefreut hatte. Sie wollte Malerei und Musik studieren – all das Zeug. Miss Popes Pensionärinnen sind alle äußerst kunstbeflissen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist Miss Popes Institut sehr bekannt. Eine Menge junger Mädchen geht hin. Sie ist streng – der richtige Drache –, die Pension sehr teuer – und sehr exklusiv.«
Poirot seufzte.
»Ich kenne den Typus. Und Miss Burshaw, die die Mädchen von England hinüberbrachte?«
»Sie ist kein Geisteskind. In Todesangst, dass Miss Pope ihr die Schuld geben wird.«
Poirot fragte nachdenklich:
»Kein junger Mann in der Geschichte?«
Japp wies auf die Fotografie.
»Sieht sie so aus?«
»Nein, das nicht. Aber
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