Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
trotz ihres Äußeren kann sie ein romantisches Gemüt haben. Fünfzehn ist nicht so jung.«
»Nun«, sagte Japp, »wenn ihr romantisches Gemüt sie von dem Zug weggezaubert hat, fange ich an, Frauenromane zu lesen.«
Er blickte erwartungsvoll auf Poirot.
»Haben Sie keine Idee – wie?«
Poirot schüttelte langsam den Kopf.
»Hat man nicht vielleicht auch ihre Schuhe neben dem Geleise gefunden?«
»Schuhe? Nein. Warum Schuhe?«
Poirot murmelte:
»Nur ein Gedanke…«
Hercule Poirot wollte gerade zu seinem Taxi hinuntergehen, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab.
»Ja?«
Japp war am Apparat.
»Gut, dass ich Sie noch erwische. Es ist alles abgeblasen. Als ich nach Scotland Yard zurückkam, war eine Botschaft da. Das Mädchen ist aufgetaucht. Neben der Hauptstrecke, 30 Kilometer von Amiens entfernt. Sie ist ganz verwirrt, und man kann nichts Zusammenhängendes aus ihr herauskriegen. Der Doktor sagt, man hat ihr etwas eingegeben, aber sonst fehlt ihr nichts.«
Poirot sagte langsam:
»Also brauchen Sie meine Dienste nicht?«
»Leider nicht. Bedaure uneeendlich, Sie gestööört zu haben, Sir.«
Japp lachte über seinen Scherz und hängte auf.
Hercule Poirot lachte nicht. Er legte den Hörer auf die Gabel. Sein Gesicht war besorgt.
Detektivinspektor Hearn sah Poirot interessiert an. »Ich wusste nicht, dass Sie sich der Sache so annehmen würden, Sir.«
Poirot erklärte:
»Hat Oberinspektor Japp Sie verständigt, dass ich mich eventuell mit Ihnen über die Sache beraten würde?«
Hearn nickte.
»Er sagte, dass Sie in einer anderen Angelegenheit herüberkommen und uns bei der Lösung dieses Rätsels an die Hand gehen würden. Aber ich hatte Sie nicht erwartet, jetzt, wo alles aufgeklärt ist. Ich dachte, Sie würden mit Ihrer eigenen Angelegenheit vollauf beschäftigt sein.«
»Meine eigene Angelegenheit kann warten«, winkte Poirot ab. »Diese Sache interessiert mich. Sie nennen sie ein Rätsel und sagen, dass sie jetzt aufgeklärt ist. Aber mir scheint, das Rätsel ist noch keineswegs gelöst.«
»Nun, Sir, das Kind ist heil wieder da. Das ist die Hauptsache.«
»Aber es löst das Rätsel nicht, wieso es zurückgekommen ist, nicht wahr? Was sagt sie selbst? Sie wurde doch von einem Arzt untersucht, nicht wahr? Was sagt er?«
»Er sagt, dass man sie betäubt hat. Sie war noch ganz benebelt davon. Anscheinend kann sie sich kaum an etwas erinnern, seitdem sie von Grantchester abgereist ist. Alle späteren Ereignisse sind wie ausgelöscht. Der Arzt meint, dass sie vielleicht eine kleine Gehirnerschütterung hatte. Sie hat eine Quetschung am Hinterkopf. Das kann die Gedächtnislücke erklären.«
»Was irgendjemandem sehr gelegen kommt!«, ergänzte Poirot.
»Sie glauben doch nicht, dass sie Komödie spielt, Sir?«
»Glauben Sie es?«
»Nein, durchaus nicht. Sie ist ein liebes Kind – ein bisschen kindisch für ihr Alter.«
»Nein, sie simuliert nicht.« Poirot schüttelte den Kopf. »Aber ich möchte wissen, wie sie aus dem Zug herausgekommen ist. Ich will wissen, wer dafür verantwortlich ist und warum es geschah.«
»Was das Warum betrifft, Sir, so möchte ich sagen, dass es ein Versuch war, das Mädchen zu entführen. Sie wollten ein Lösegeld für sie erpressen.«
»Aber sie haben es nicht getan.«
»Sie haben bei dem Zetergeschrei die Nerven verloren und sie schnell neben dem Geleise ausgesetzt.«
Poirot fragte skeptisch:
»Und welches Lösegeld konnten sie von einem Kanonikus der Kathedrale von Grantchester erwarten? Englische Prälaten sind keine Millionäre.«
Detektivinspektor Hearn sagte munter:
»Meiner Meinung nach haben die Leute die ganze Sache verpfuscht, Sir.«
»Ah, also das ist Ihre Meinung.«
Hearn bekam einen roten Kopf.
»Und was meinen Sie, Sir?«
»Ich möchte wissen, wie man sie aus dem Zug herausgeschmuggelt hat.«
Das Gesicht des Polizeibeamten verdüsterte sich.
»Das ist wirklich ein Rätsel. Eine Minute ist sie noch da und plaudert mit den anderen Mädchen im Speisewagen, und fünf Minuten darauf ist sie verschwunden – hast du’s nicht gesehen – wie bei einem Zauberkunststück.«
»Eben, wie bei einem Zauberkunststück! Wer war noch in dem Wagen, in dem sich Miss Popes reservierte Abteile befanden?«
Inspektor Hearn nickte.
»Das ist ein sehr wichtiger Punkt, Sir. Besonders wichtig, weil es der letzte Wagen war und kaum alle Leute vom Speisewagen zurückgekommen waren, da die Verbindungstüren zu den anderen Wagen
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