Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
war es?«
Sie zog ihn geschickt auf ein Sofa neben dem Kamin. Poirot sah, wie er den Kopf wandte und Sheila anblickte, ehe er ging. Sheila hatte Poirot gesehen. Sie zögerte einen Augenblick. Dann gesellte sie sich zu den beiden am Fenster. Sie sagte unvermittelt:
»Also waren doch Sie es, der gestern bei uns im Haus war?«
»Hat Ihr Vater es Ihnen gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Abdul hat Sie beschrieben. Ich habe es erraten.«
Pam rief aus: »Sie haben Vater besucht?«
Poirot sagte:
»O ja. Wir haben – gemeinsame Freunde.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Pam scharf.
»Was glauben Sie nicht? Dass Ihr Vater und ich gemeinsame Freunde haben können?«
Das junge Mädchen errötete.
»Stellen Sie sich nicht dumm. Ich habe gemeint, dass das nicht der wirkliche Grund – «
Sie wandte sich an ihre Schwester.
»Warum sagst du nichts, Sheila?«
Sheila machte große Augen.
»Hatte es nichts – hatte es nichts mit Tony Hawker zu tun?«
»Warum sollte es etwas mit ihm zu tun haben?«, fragte Poirot.
Pam sagte plötzlich heftig, aber mit gedämpfter Stimme:
»Ich mag Tony Hawker nicht. Er – er hat etwas Unheimliches – und Mrs Larkin auch, finde ich – sehen Sie sie jetzt an.«
Sheila errötete und ging zu den anderen zurück.
Poirot folgte ihrem Blick.
Hawker und Mrs Larkin steckten die Köpfe zusammen. Er schien sie zu beruhigen. Ihre Stimme erhob sich einen Augenblick.
» – aber ich kann nicht warten. Ich brauche es sofort!«
Poirot sagte mit einem leisen Lächeln:
»Les femmes – was immer es ist –, sie brauchen es immer sofort, nicht wahr?«
Aber Pam ging auf den kleinen Scherz nicht ein. Ihr Kopf war gesenkt. Sie strich nervös die Falten ihres Rockes zurecht.
Poirot sagte freundlich: »Sie sind ein ganz anderer Typ als Ihre Schwester, Mademoiselle.«
Sie warf den Kopf zurück, irritiert über den leichten Konversationston.
»Monsieur Poirot, was ist das für ein Zeug, das Tony Sheila gibt? Was ist es, das sie so – verändert?«
Er blickte ihr gerade in die Augen.
»Haben Sie je Kokain genommen, Miss Grant?«
Sie schüttelte den Kopf.
»O nein! Also das ist es? Kokain? Aber ist das nicht sehr gefährlich?«
Sheila Grant kam zu ihnen herüber, einen frischen Drink in der Hand.
»Was ist gefährlich?«, fragte sie.
Poirot sagte:
»Wir sprechen über die Auswirkungen von Rauschgiften. Von dem langsamen seelischen und geistigen Tod – von der Zerstörung alles Guten und Edlen in einem Menschen.«
Sheila Grant stockte der Atem. Das Glas in ihrer Hand schwankte, und sein Inhalt ergoss sich auf den Boden.
Poirot fuhr fort:
»Ich glaube, Dr. Stoddart hat Ihnen klar gemacht, was dieser lebendige Tod mit sich bringt. Es ist so leicht geschehen – und so schwer wieder gutzumachen. Der Mensch, der absichtlich aus der Erniedrigung und dem Elend anderer Nutzen zieht, ist ein Vampir, der den anderen das Blut aussaugt.«
Er wandte sich ab. In seinem Rücken hörte er Pam Grant zischen: »Sheila!« Und fing ein Flüstern – ein leises Flüstern von Sheila Grant auf. Es war so leise, dass er es kaum vernahm.
»Die Feldflasche…«
Hercule Poirot verabschiedete sich von Mrs Larkin und ging in die Vorhalle. Auf dem Tisch lag eine Feldflasche neben einer Reitgerte und einem Hut. Poirot nahm sie auf. Es war ein Monogramm auf ihr eingraviert: A. H.
Poirot murmelte zu sich selbst:
»Tonys Feldflasche ist leer?«
Er schüttelte sie leicht. Es klang nicht nach Alkohol. Er schraubte sie auf.
Tony Hawkers Feldflasche war nicht leer. Sie war gefüllt mit einem weißen Pulver…
Hercule Poirot stand auf Lady Carmichaels Terrasse und redete einem jungen Mädchen ins Gewissen.
»Sie sind sehr jung, Mademoiselle. Ich glaube, dass Sie nicht gewusst haben, nicht wirklich gewusst haben, was Sie und Ihre Schwestern getan haben. Sie haben sich wie die Stuten des Diomedes von Menschenfleisch genährt.«
Sheila schauderte und schluchzte auf.
»So ausgedrückt klingt es grauenhaft. Und dabei ist es wahr! Bis zu dem Abend in London, wo Dr. Stoddart mit mir gesprochen hat, ist es mir nie klar geworden. Er sprach so ernst und eindringlich. Da habe ich eingesehen, wie schrecklich das war, was ich getan hatte… Früher dachte ich, es ist wie – oh – ungefähr wie zu unerlaubten Stunden trinken – etwas, wofür die Leute zahlen, um es zu kriegen, aber nicht etwas, was wirklich sehr viel ausmacht!«
Poirot sagte:
»Und jetzt?«
»Ich werde alles machen, was Sie sagen«,
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