Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
versprach Sheila Grant. »Ich – ich werde auch mit den anderen sprechen.« Sie fügte hinzu: »Dr. Stoddart wird jetzt wohl nie mehr mit mir sprechen…«
»Im Gegenteil«, sagte Poirot. »Sowohl Dr. Stoddart als auch ich werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Ihnen zu helfen, ein neues Leben zu beginnen. Sie können sich auf uns verlassen. Aber etwas muss geschehen – einem Menschen muss das Handwerk endgültig gelegt werden, und das können nur Sie und Ihre Schwestern tun. Ihre, und nur Ihre, Aussagen können ihn überführen.«
»Sie meinen – meinen Vater?«
»Nicht Ihren Vater, Mademoiselle. Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass Hercule Poirot alles weiß? Ihre Fotografie wurde von der Polizei mühelos identifiziert. Sie sind Sheila Kelly – eine hartnäckige junge Ladendiebin, die vor einigen Jahren in eine Besserungsanstalt geschickt wurde. Als Sie entlassen wurden, trat ein Mann an Sie heran, der sich General Grant nennt, und bot Ihnen diesen Posten als ›Tochter‹. Viel Geld, viel Unterhaltung, ein gutes Leben. Alles, was Sie zu tun hatten, war, bei Ihren Freunden den ›Schnupftabak‹ einzuführen, immer unter der Vorspiegelung, dass Sie ihn von jemand anderem bekommen hatten. Ihre ›Schwestern‹ waren in der gleichen Situation wie Sie.«
Nach einer kleinen Pause sagte er:
»Allons, Mademoiselle, der Mann muss entlarvt und verurteilt werden. Danach – «
»Ja, danach?«
Poirot räusperte sich. Er sagte lächelnd:
»Werden Sie dem Dienst der Götter geweiht…«
Michael Stoddart starrte Poirot verblüfft an.
»General Grant? General Grant?«
»Kein anderer, mon cher. Die ganze Aufmachung war, was man ›talmi‹, nennt, wissen Sie. Die Buddhas, das indische Kunstgewerbe, der indische Diener! Und die Gicht auch! Gicht ist unmodern. Greise haben Gicht, aber nicht Väter von neunzehnjährigen Töchtern.
Überdies habe ich mich überzeugt. Beim Hinausgehen stolperte ich und packte den gichtischen Fuß, um mich festzuhalten. Der gute Mann war von meinen Ausführungen so verstört, dass er es nicht einmal bemerkt hat. O ja, der General ist sehr ›talmi‹. Tout de même ist die Idee nicht schlecht. Der pensionierte, anglo-indische General, die wohl bekannte Lustspielfigur mit einer kranken Galle und einem cholerischen Temperament, er lässt sich nieder – aber nicht inmitten anderer pensionierter Offiziere – o nein, er geht in ein Milieu, das für den gewöhnlichen pensionierten Offizier viel zu kostspielig ist. Aber hier sind reiche Leute, Leute aus London – ein ausgezeichneter Markt für seine Ware. Und wer würde vier lebenslustige, hübsche junge Mädchen verdächtigen? Wenn irgendetwas herauskommt, wird man sie für die Opfer halten – das ist gewiss!«
»Was hatten Sie eigentlich im Sinn, als Sie den alten Hund aufgesucht haben? Wollten Sie ihm Angst einjagen?«
»Ja, ich wollte sehen, was geschieht. Ich musste nicht lange warten. Die Mädchen bekamen ihre Instruktionen. Antony Hawker, in Wirklichkeit eines ihrer Opfer, sollte der Sündenbock sein. Sheila sollte mir von der Feldflasche in der Halle sagen. Sie konnte es fast nicht über sich bringen, es zu tun – aber das andere Mädchen zischte zornig ›Sheila‹, und da stammelte sie es hervor.«
Michael Stoddart stand auf und durchmaß das Zimmer.
»Wissen Sie, ich habe nicht die Absicht, dieses Mädchen aus den Augen zu verlieren. Ich habe eine ganz gesunde Theorie über diese verbrecherischen Neigungen Jugendlicher. Wenn man Einblicke in das Familienleben gewinnt, findet man fast immer – «
Poirot unterbrach ihn.
Er sagte:
»Mon cher, ich habe den größten Respekt vor Ihrer Wissenschaft. Ich zweifle nicht, dass Ihre Theorien sich im Fall der kleinen Sheila bewähren werden.«
»Bei den anderen auch.«
»Bei den anderen vielleicht. Es kann sein. Die Einzige, bei der ich überzeugt bin, ist die kleine Sheila. Sie werden Sie zähmen, das ist klar. In Wirklichkeit frisst sie schon aus Ihrer Hand…«
»Was reden Sie da für einen Unsinn, Poirot«, wehrte Michael Stoddart errötend ab.
Der Gürtel der Hippolyta
E ines führt zum anderen, wie Hercule Poirot ohne Anspruch auf Originalität so gerne sagt.
Der beste Beweis dafür, fügte er hinzu, war der Fall des gestohlenen Rubens.
Er hatte sich nie sehr für diesen Rubens interessiert. Erstens ist er kein Bewunderer von Rubens, und zweitens waren die Umstände des Diebstahls sehr banal. Er übernahm den Fall, um seinem Freund Alexander Simpson
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