Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
koordinierten ihre Sprünge, um höher und höher aufzusteigen.
    Sie hielt Jonathans Hand fest umklammert, nervös und aufgeregt, in panischer Angst vor Darklingen und voller Begeisterung, weil sie im Himmel war.
    Fliegen war wunderbar. Die blassblauen Straßen glitzerten wie Flüsse unter ihnen, während sie durch hoch aufgewirbelte Blättertürme sausten. Es gab auch Vögel dort oben, mit ausgebreiteten Flügeln im angehaltenen Flug und in Schräglage, um die erstarrten Böen einzufangen. Der dunkle Mond mit seinem finsteren Gesicht hatte seinen Höchststand fast erreicht, schien aber den Himmel nicht ganz so tyrannisch einzunehmen wie in der letzten Nacht. Von oben konnte Jessica das Sternenband sehen, das sich über den Horizont erstreckte, helle Nadelköpfe, deren weißes Licht der Mond in Blau getaucht hatte.
    Bixbys Struktur war für sie immer noch ungewohnt. Nachdem Jessica die Stadt jetzt aber von oben betrachten konnte, die sich wie eine Karte unter ihr ausbreitete, fing sie an zu verstehen. Von den höchsten Sprüngen sahen die Häuser und Bäume klein und vollkommen aus, eine Stadt aus Puppenhäusern. Jonathan sah die Welt vermutlich total anders als alle anderen, kam ihr in den Sinn.
    Sie näherten sich dem Stadtrand, wo die Häuser weniger dicht standen und die Wildnis ihren Einzug in die Stadt hielt. Hier draußen, wo man weniger Häuser, Geschäfte und von Bäumen gesäumte Straßen meistern musste, kam man besser voran. Bald konnte Jessica alles überblicken, weit hinaus über niedrige, kümmerliche Bäume, die raue, flache Hügel sprenkelten.
    Die Badlands.
    Als sie sich der Wüste näherten, suchten ihre Augen nervös den Erdboden nach Anzeichen von Bewegung ab, unter jedem Baum vermutete sie lauernde Darklinge. Aber unten schien alles reglos, winzig und unauffällig, als sie darüber hinwegsegelten. Ihr fiel auf, dass sie sich so schnell bewegten, dass der Panther sie auch bei vollem Tempo nicht einholen könnte. Mit ihren Sprüngen kamen sie hundert Mal weiter als die Riesenkatze.
    Jonathan war wirklich schneller als die Bösewichte.
    Er sprang mit ihr auf einen der großen Wassertürme vor der Stadt. Sie ließen sich darauf nieder, mit der Stadt auf der einen und den Badlands auf der anderen Seite. Das Dach war flach, mit einem niedrigen Geländer am Rand zum Schutz.
    „So, Pause für die Hände“, sagte er.
    Sie ließen einander los. Diesmal war Jessica vorbereitet, federte in den Knien nach, als das normale Gewicht wieder auf sie herabsank.
    „Aua“, sagte sie und knetete ihre Finger. Ihr wurde bewusst, dass jeder Muskel an ihrer Hand wehtat. Jonathan streckte mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Finger. „Oje, tut mir leid, ich wollte gar nicht so klebrig sein.“
    Er lachte. „Lieber klebrig als plumpsig.“
    „Kann man so sagen.“ Mit einer Hand am Geländer trat sie vorsichtig an den Rand des Turms. Als sie nach unten sah, drehte sich ihr der Magen um. „Okay, Höhenangst funktioniert noch.“
    „Gut“, sagte Jonathan. „Ich denke manchmal, vielleicht vergesse ich eines Tages, dass nicht Mitternacht ist, und springe vom Dach oder so. Oder ich vergesse, wie spät es ist, und fliege noch durch die Gegend, wenn die Schwerkraft wiederkommt.“
    Jessica drehte sich zu ihm um und legte ihm eine Hand auf die Schulter, die Schwerelosigkeit kehrte zurück. „Bitte nicht.“
    Sie wurde rot und ließ los. Ihre Stimme hatte sich so ernst angehört.
    Er lächelte. „Mach ich nicht, Jessica. Ehrlich.“
    „Sag Jess zu mir.“
    „Klar. Jess.“ Sein Grinsen wurde breiter.
    „Danke, dass du mit mir geflogen bist.“
    „Gerne.“
    Jessica drehte sich schüchtern um.
    Sie hörte ein Knirschen. Jonathan aß einen Apfel.
    „Auch einen?“
    „Nee, schon gut.“
    „Ich hab vier.“
    Sie blinzelte. „Hörst du nie auf zu essen?“
    Jonathan zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, ich muss pro Tag so viel essen, wie ich wiege.“
    „Ehrlich?“
    „Nein. Aber ich kriege vom Fliegen Hunger.“
    Jessica lächelte und sah über die Stadt hinaus. Zum ersten Mal seit dem schiefgelaufenen „Traum“ der letzten Nacht fühlte sie sich richtig sicher.
    Mit den Augen verfolgte sie einen Vogel, der am Horizont flog, von hinten vom bereits sinkenden Mond beleuchtet. Sie war so glücklich, innerlich nach wie vor federleicht, dass es eine Weile dauerte, bis ihr Magen absackte.
    Der Vogel bewegte sich.
    „Jonathan, was stimmt an diesem Bild nicht?“
    Er folgte ihrem Blick. „Ach das. Ist bloß ein

Weitere Kostenlose Bücher