Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
dergleichen, zeichnete oder führte für Freunde kleinere Bauten aus, das Wandern aber und sor aqua waren mir wichtiger.
    Kehren wir zu ihr zurück! Sie hat mich nie gefragt, ob denn bei all dem
    Schwimmen und Seefahren auch etwas Rechtes aus mir werde, sie hat mich
    liebgehabt und beherbergt wie ihre Seehunde, kalt und warm, lind und rauh,
    je nach der Jahreszeit. Sie war mir denn auch interessanter als alle gebauten und vollends ungebauten Häuser der Erde, und wir beide haben es nie bereut,
    daß ich mir den Magen nicht am Reißbrett geknickt habe und kein Palladio
    oder moderner Bauunternehmer geworden bin. Freilich lag damals, als ich das
    240
    Bummeln zu meinem Metier und sor aqua zu meinem Liebling machte, die
    erste schöne Jugend auch schon hinter mir, und ich hatte leider Gründe für
    mein Tun. Ein andermal davon!
    Es war nicht anders möglich, daß ich auf meinen Streifzügen häufig mit
    Menschen aus der Gattung der Maler zusammentraf, namentlich in früheren
    Jahren, da das Vedutenmalen noch nicht völlig den Handwerkern überlassen
    worden war. Während meiner Architektenzeit in Italien gehörte ich selber zu
    diesem leichten Volk, wanderte in Sommerhut, Plüschjacke und Flatterschlips
    durch die Albaner Berge und sah aus als wäre ich aus einer Eichendorffschen
    Novelle entsprungen. Später schwand meine Hochachtung vor den Samtjacken
    mehr und mehr, doch fand ich noch eine Reihe vortrefflicher Leute unter
    ihnen und behielt zeitlebens eine gewisse Neigung fürs Handwerk bei. Von
    Kunst allerdings redete ich nie gern mit ihnen, sie waren damals so dogma-
    tisch verbohrt wie heute, und fast jeder glaubte, seine sichere Landstraße zur Seligkeit unter den Sohlen zu haben. Ich lachte darüber und sor aqua auch.
    Wasser malen konnte nämlich kein einziger. Die Neueren sind darin, wie ich
    zugeben muß, weiter gekommen, aber streng genommen war der verstorbene
    Böcklin doch der einzige, der das Meer physikalisch wie poetisch verstanden
    und dargestellt hat. Wenn auch nur das südliche.
    Während nämlich diese Maler keine Katze abbilden wollen, ohne ihre Ana-
    tomie zu kennen, sehen sie sämtlich am Wasser nichts als Oberfläche. Ich kann-te namhafte Leute unter ihnen, denen die simpelsten Ursachen der Färbung
    oder Wellenbildung einer Wasserfläche ungelöste Rätsel waren. Die Folge war
    natürlich, daß ihre Seen und Meere höchstens gute Momentbilder ohne den
    tieferen, zum Verständnis zwingenden Organismus wurden. Vollends die aus
    dem Gedächtnis gemalten Meere auf Historienbildern und heroischen Land-
    schaften sind allzumal miserable Traumbilder und haben mit der wahren Natur
    und Schönheit des Meeres meist keinen Schatten gemeinsam. Daß das weitere
    und engere Publikum den Schwindel glaubt, kauft und lobpreist, ist mir längst ein Beweis dafür, daß die meisten Kunstkenner der Natur gegenüber blind und
    Nichtskenner sind.
    Im Flur meiner Wohnung steht ein mächtiger Kasten, in dem ich all mein al-
    tes Wassergerät verwahre. Da lehnen Angelruten jeder Art, kleine Handhamen
    und dergleichen, und die Laden sind mit Schnüren, Angeln, künstlichen Flie-
    gen, Fischbüchsen, mit selbstgezeichneten Fluß- und Seekarten, mit Muscheln, getrockneten Seepferdchen und ähnlichem Zeug gefüllt. An den Sachen hängt
    noch etwas wie Wasserduft, der mich mächtig lockt, und zuweilen ertappe ich
    mich darüber, wie ich Schnüre drehe und färbe, Darmsaiten öle, Haarfliegen
    flechte und schadhafte Angelstöcke repariere, die ich vermutlich doch nie mehr 241
    brauchen werde. Oder ich nehme die Karten vor, verfolge eine meiner früheren Wasserreisen und zeichne mit leisem Stift eine neue ein, die ich noch ausführen möchte. All das tut mir wohl, und all diese unnütz gewordenen Sachen sind mir doch noch lieb, weil sie ihr Stück eigenen Lebens haben. Heutzutage kauft man Leinen, Korke, Posen, Fliegen, Lote, Karten und alles fertig im Laden. Meine Stücke aber sind eigene Handarbeit, und ihre Herstellung hat mir jeweils fast soviel Freude gemacht wie ihre Verwendung.
    Hier ist eine starke hellbraune Leine ohne Rute, mit der ich im Elsaß auf
    Karpfen zu fischen pflegte. So oft ich sie sehe, fällt mir ein kleines Erlebnis ein.
    Ich ging damals häufig zum Karpfenfang auf das Gut eines mir befreundeten
    Landbesitzers. Er hatte einen schönen eigenen Teich und sah es, weil er selbst zu viel beschäftigt oder zu bequem war, gerne, wenn ich die Fische für ihn
    herauszog.

Dort saß ich denn auch eines

Weitere Kostenlose Bücher