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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Spätlicht und lauschte
    den Fröschen am Teich. Tausend nichtige Dinge wurden mir auf einmal lieb
    und wichtig und berührten mich wie Erlebnisse. Zum Beispiel wenn ich mor-
    gens zum Zeitvertreib ein paar Beete im Garten begoß und die Erde und die
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    Wurzeln so dankbar und gierig tranken. Oder ich sah einen kleinen blauen
    Schmetterling im Mittagsglanz wie betrunken taumeln. Oder ich beobachtete
    die Entfaltung einer jungen Rose. Oder ich ließ abends vom Nachen aus die
    Hand ins Wasser hängen und spürte das weiche laue Ziehen des Flusses an
    den Fingern.
    Während die Pein einer ratlosen ersten Liebe mich plagte und während
    unverstandene Not, tägliche Sehnsucht und Hoffnung und Enttäuschung mich
    bewegten, war ich trotz Schwermut und Liebesangst doch jeden Augenblick
    im innersten Herzen glücklich. Alles, was um mich war, war mir lieb und hatte mir etwas zu sagen, es gab nichts Totes und keine Leere in der Welt. Ganz
    ist mir das nie mehr verlorengegangen, aber es ist auch nie mehr so stark und stetig wiedergekommen. Und das noch einmal zu erleben, es mir zueigen zu
    machen und festzuhalten, das ist jetzt meine Vorstellung vom Glück.
    Wollen Sie weiter hören? Seit jener Zeit bis auf diesen Tag bin ich eigent-
    lich immer verliebt gewesen. Mir schien von allem, was ich kennenlernte, doch nichts so edel und feurig und hinreißend wie die Liebe zu Frauen. Nicht immer hatte ich Beziehungen zu Frauen oder Mädchen, auch liebte ich nicht
    immer mit Bewußtsein eine bestimmte Einzelne, aberimmerwaren meine Ge-
    danken irgendwie mit Liebe beschäftigt, und meine Verehrung des Schönen
    war eigentlich eine beständige Anbetung der Frauen.
    Liebesgeschichten will ich Ihnen nicht erzählen. Ich habe einmal eine Ge-
    liebte gehabt, einige Monate lang, und ich habe gelegentlich einen Kuß und
    einen Blick und eine Liebesnacht halb ungewollt im Vorbeigehen geerntet,
    aber wenn ich wirklich liebte, war es immer unglücklich. Und wenn ich mich
    genau besinne, so waren die Leiden einer hoffnungslosen Liebe, die Angst und die Zaghaftigkeit und die schlaflosen Nächte eigentlich weit schöner als alle kleinen Glücksfälle und Erfolge.
    Wissen Sie, daß ich sehr in Sie verliebt bin, gnädige Frau? Ich kenne Sie seit bald einem Jahr, wenn ich auch nur viermal in Ihr Haus gekommen bin. Als ich Sie zum ersten Mal sah, trugen Sie auf einer hellgrauen Bluse eine Brosche mit der Florentiner Lilie. Einmal sah ich Sie am Bahnhof in den Pariser Schnellzug steigen. Sie hatten ein Billett nach Straßburg. Damals kannten Sie mich noch nicht.
    Dann kam ich mit meinem Freund zu Ihnen, ich war damals schon in Sie
    verliebt. Sie bemerkten es erst bei meinem dritten Besuch, an jenem Abend
    mit der Schubertmusik. Wenigstens schien es mir so. Sie scherzten zuerst über meine Ernsthaftigkeit, dann über meine lyrischen Ausdrücke, und beim Adieusagen waren Sie gütig und ein wenig mütterlich. Und das letzte Mal, nachdem
    Sie mir Ihre Sommeradresse genannt hatten, haben Sie mir erlaubt, Ihnen zu
    schreiben. Und das habe ich also heut getan, nach langem Überlegen.
    Wie soll ich nun den Schluß finden? Ich sagte Ihnen ja, daß dieser erste
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    Brief von mir auch mein letzter sein würde. Nehmen Sie meine Konfessionen,
    die vielleicht etwas Lächerliches haben, von mir als das einzige, was ich Ihnen geben und womit ich Ihnen zeigen kann, daß ich Sie hochschätze und liebe.
    Indem ich an Sie denke und mir gestehe, daß ich Ihnen gegenüber die Rol-
    le des Verliebten sehr schlecht gespielt habe, fühle ich doch etwas von dem
    Wunderbaren, von dem ich Ihnen schrieb.
    Es ist schon Nacht, die Grillen singen noch immer vor meinem Fenster
    im feuchten Grasgarten, und vieles ist wieder wie in jenem märchenhaften
    Sommer. Vielleicht, denke ich mir, darf ich das alles einst wieder haben und nochmals erleben, wenn ich dem Gefühl treu bleibe, aus dem ich diesen Brief
    geschrieben habe. Ich möchte auf das verzichten, was für die meisten jun-
    gen Leute aus dem Verliebtsein folgt und was ich selber mehr als genug ken-
    nengelernt habe – auf das halb echte, halb künstliche Spiel der Blicke und
    Gebärden, auf das kleinliche Benützen einer Stimmung und Gelegenheit, auf
    das Berühren der Füße unterm Tisch und den Mißbrauch eines Handkusses.
    Es gelingt mir nicht, was ich meine, richtig auszudrücken. Wahrscheinlich
    verstehen Sie mich trotzdem. Wenn Sie so sind, wie ich Sie mir gerne vorstelle, dann können Sie über mein konfuses Schreiben

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