Die Erzaehlungen 1900-1906
in Ihre
Geschäfte. Als Mitglied der Zunft nun würde ich nicht nur auf die Gebühren
verzichten, die ich für die kleine Arbeit der Verwaltung anzusprechen habe; ich würde auch den etwas altmodischen Gang Ihrer Geschäfte zu verbessern wissen
und die Rentabilität Ihrer Kapitalien bedeutend erhöhen können. Überhaupt,
da ich in der letzten Zeit das Vergnügen hatte, Sie näher kennenzulernen und in einen so freundschaftlichen Umgang mit Ihnen zu kommen, wäre es mir eine
Freude, auch Ihrer Zunft mit anzugehören, und ich darf doch wohl hoffen, daß mein Aufnahmegesuch Ihre Befürwortung fände?
Gewiß , antwortete Dreiß nachdenklich,
aber Sie werden ja wohl wissen,
welches die Vorbedingungen einer Aufnahme sind. Meines Wissens sind Sie
mit keiner von den zunftberechtigten Familien nahe genug verwandt.
Das weiß ich , gab Trefz ohne weiteres zu.
Aber immerhin ist meine
Mutter eine Rothfuß und mit den Dreißen Ihres Stammes vervettert. Und
außerdem weiß ich, daß im Laufe der Jahrhunderte zweimal die Zunftmit-
gliedschaft an Nichtberechtigte verliehen worden ist. Einmal sogar an einen
Auswärtigen, der sich das Bürgerrecht nur erkauft hatte. Sie können doch
nicht im Ernst eines Zufalls wegen Ihre ganze Zunft eingehen lassen.
Das haben wir auch nicht im Sinn. Zunächst sind wir noch drei lebende
Mitglieder, mit deren Absterben es ja nicht so sehr pressiert. Und schließ-
lich wäre das Aufhören der Zunft gar kein so großes Unglück. Einen rechten
Sinn hat sie doch schon lange nicht mehr, und bei ihrer Auflösung ginge ihr
Vermögen an die Stadt über, die es schon brauchen könnte. Wir zahlen Steuern genug, da würde eine kleine Aufbesserung nichts schaden.
Das konnte Trefz als Mitglied des Gemeinderats nicht leugnen. Er wieder-
holte nur, wie schade es wäre, wenn man eine so alte und schöne Institution
müßte erlöschen sehen, und bat, den andern seinen Antrag um Aufnahme zu
überbringen.
Darauf nun hatte Dreiß schon lange gewartet. Er versprach eine schnelle
Antwort und freute sich, diesen Philister in seinen Händen zu wissen und
ihm einen Denkzettel zu geben. Denn als Philister erschien ihm der Notar,
obwohl Dreiß selber kein kleinerer war. Er hatte als bequemer Junggeselle
eine Abneigung gegen alle Streber und Umtriebler, es war jedoch nur seine
Trägheit und seine Lust am Witzemachen, die ihn seine tüchtigeren Mitbürger
als Philister verachten ließ. In den Jahren seiner Zugehörigkeit zur Zunft hatte er dort das große Wort geführt und sich namentlich als Veranstalter des
jährlichen Fastnachtsfestes hervorgetan, und da ihn sonst keine Arbeit oder
Sorge beschäftigte, war ihm das Spaßmachen allmählich zum Beruf geworden.
Nun war in der Zunft eine lange Weile nichts richtig Lustiges mehr passiert, 469
und Dreiß begrüßte diesen Anlaß zu einem Narrenstreich mit Freuden. Gleich
allen Müßiggängern und unernsten Menschen war ihm nichts willkommener,
als gelegentlich einen andern von sich abhängig zu sehen und seine zufällige Macht zu mißbrauchen. So berief er alsbald eine Zunftsitzung ein, die er im
Einverständnis mit den gleichgültigen Mitgliedern zu einem schönen, festlichen Abendessen gestaltete. Von einem Kellner sorgfältig bedient, unter demütiger Leitung des Hirschwirtes, saßen die drei nichtsnutzigen Junggesellen an dem
zehnmal zu großen Zunfttische beisammen, aßen, was ihnen gut schien, und
tranken Rotwein dazu, hatten die alten silbernen Becher der Väter vor sich
stehen und kamen sich drollig und wichtig vor. In einer lustigen Rede erzählte Dreiß von dem Anliegen des Dr. Trefz, worüber wenig Verwunderung entstand, da ähnliche Gesuche nicht eben selten an sie gelangten. Statt jedoch
den Antragsteller einfach und sachlich abzuweisen, beschloß Dreiß ihn erst
ein wenig zum besten zu halten, und der Maler Lautenschlager gab ihm vor-
treffliche Ratschläge dazu. Und so erhielt denn nach einigen Tagen der Notar ein feierliches Schreiben von der Färberzunft, worin er bedeutet wurde, sein Anliegen schriftlich mit ausführlicher Begründung und unter Beifügung eines
übersichtlichen Stammbaumes zu wiederholen. Die Aufforderung war übrigens
so höflich abgefaßt, daß der Notar trotz einer leisen Witterung des Gegenteils sie ernstnahm und mit der Herstellung einer schönen Kopie seines Stammbaumes viele fleißige Abendstunden hinbrachte.
Diesen Stammbaum samt einem langen Schreiben ließ er dem ehrenwerten
Vorstande der
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