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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Ball und das berühmte üppige Jahresmahl, teils an Armenspenden
    und Unterstützungsgelder verwendet wurden; beim einstmaligen Aufhören der
    Zunft aber sollte das gesamte Kapital samt dem Haus der Stadt zufallen.
    Dies unnütz lagernde Vermögen nun, dessen Zinsen auf eine so wenig zeit-
    gemäße Art vergeudet wurden und dessen Verwaltung zu einem Teil in seinen
    Händen lag, hatte dem Notar Trefz längst in die Augen gestochen. Seit lan-
    gem hatte er die Gesetze der Färberzunft studiert und eine Liste der wenigen Familien angelegt, deren Angehörige dort aufnahmefähig waren. Hielt man
    sich genau an den Wortlaut der Urkunden, so gab es zur Zeit außer den drei
    Mitgliedern in der ganzen Stadt nur einen einzigen Mann, dem das Recht des
    Beitrittes zugestanden wäre. Das war der reiche Fabrikant Werner, der aus
    Stolz sowohl, um nicht des Interesses an den Zunftgeldern verdächtigt zu werden, wie auch aus Abneigung gegen die derzeitigen Mitglieder auf sein Recht
    verzichtet hatte.
    Dem Notar wollte es nun seltsam und ungeheuerlich scheinen, daß das ur-
    alte, schöne Zunftvermögen so lächerlich brachliege und die Zinsen von drei
    launigen Junggesellen alljährlich leichtfertig vergeudet wurden. Er hegte längst den Plan, sich den Zutritt zur Zunft zu ermöglichen und alsdann Ordnung in
    deren Angelegenheiten zu bringen. Als Beirat in der Vermögensverwaltung
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    kannte er die drei Zünftler wohl und hatte Gelegenheit gehabt zu beobachten, daß ihr Anführer der jüngste von ihnen, der ledige Rentier Julius Dreiß war.
    Der hatte, entgegen der soliden Art seiner alten Familie, nicht nur nicht geheiratet und sehr früh sich als berufloser Privatmann zur Ruhe gesetzt, sondern leider auch seit seiner Knabenzeit eine Neigung zu Wohlleben und Bequemlichkeit an den Tag gelegt, welche in Gerbersau niemand gewillt war als ein
    Talent zu betrachten, und die man ihm nur darum halb und halb verzieh, weil
    er ein spaßiger Herr war und das besaß, was die Gerbersauer einen goldenen
    Humor nannten.
    Diesem Julius Dreiß suchte sich der Dr. Trefz nun bei jeder Gelegenheit
    zu nähern und zu befreunden. Dreiß hatte nichts dagegen und ließ sich die
    Freundlichkeiten des geachteten Mannes gerne gefallen, doch meinte er schon
    nach kurzer Zeit, diese Aufmerksamkeiten nicht mehr der Anziehungskraft
    seiner Person zuschreiben zu dürfen, sondern sah als Ziel der Trefzischen
    Bemühungen die Aufnahme in die Färberzunft und die Teilnahme an deren
    schönem Besitztum sich verbergen. Von dem Augenblick dieser Entdeckung an
    machte sich Dreiß ein Vergnügen daraus, den durchschauten Notar mehr und
    mehr mit einer gönnerhaften Leutseligkeit zu behandeln, die den Doktor zwar
    zuweilen aufs äußerste reizte, die er aber in Geduld ertrug. Häufig sah man
    die beiden Herren im Nebenzimmer des Adlers bei einer Flasche Pfälzer oder
    bei einem Kaffee und Kartenspiel zusammensitzen, den Doktor aufmerksam
    und schmeichlerisch um Dreißens Gunst bemüht, den frohen Junggesellen in
    wohlgespielter Ahnungslosigkeit.
    Das Schauspiel dieser eigentümlichen Freundschaft zwischen dem korrekten,
    stolzen Notar und dem als Witzbold bekannten Zünftler dauerte lange genug,
    daß auch Hermann Lautenschlager sich dessen noch erfreuen konnte.
    Der Maler kehrte eines Tages, da der Hochsommer sich abgekühlt hatte,
    mit sonnverbranntem Gesicht und staubigen Kleidern aus seiner Verwilde-
    rung heim. Wohlgemut zog er durch die Salzgasse und über den Marktplatz in
    der Heimat ein, suchte seine ebenfalls verstaubte und verwahrloste Wohnung
    auf und packte vor allem die große blecherne Botanisierbüchse aus. Der Hohl-
    raum dieser Büchse war in zwei Hälften geteilt. In der einen waren Nachthemd, Schwamm, Seife und Zahnbürste des Wanderers untergebracht, die andre war
    erfüllt von einem geheimnisvollen Überfluß und Reichtum an Glasfläschchen,
    Korken, Papierschachteln, Wattepäckchen und anderen wunderlichen Geräten,
    zwischen denen einige auf Schnüre gezogene Kränze von getrockneten Apfel-
    schnitzen auffielen. Alle diese Dinge legte der Maler sorglos beiseite, dann zog er aus den Brusttaschen seines Mantels und Rockes mehrere Schachteln, die
    er mit einer zärtlichen, juwelierhaften Sorglichkeit in die Finger nahm und der Reihe nach öffnete.
    Da zeigte sich dann in den Schachteln, auf feine Nadeln gespießt, die ge-
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    samte Beute des sommerlichen Wanderzuges, ein paar Dutzend neu gefangener
    Schmetterlinge und Käfer, und einen um den

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