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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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aber auch die Forstgehilfen, der Apotheker, die jüngeren Schullehrer, der Vizeamtmann, die Söhne der reichen Holzhändler,
    des Fabrikanten und des Doktors. Da die schöne Salome sich mit aller Frei-
    heit bewegte, allein spazieren ging, eine Menge Besuche machte und in ihrem
    zierlichen Wägelein rings im Lande herumkutschierte, war die Annäherung
    nicht schwer, und sie sammelte in kurzer Zeit eine schöne Zahl von Liebes-
    geständnissen ein.
    Einmal kam sie zu uns, Onkel und Cousine waren nicht da, und sie setzte sich zu mir auf die Gartenbank. Die Dirlitzen waren schon rot, das Beerenzeug reif, und Salome griff behaglich hinter sich in die Stachelbeeren. Nebenher nahm
    sie am Gespräche teil, und wir waren bald so weit, daß ich mit feuerrotem
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    Gesicht ihr erklärte, ich sei rasend in sie verliebt.
    O, das ist nett, war die Antwort. Sie gefallen mir ganz gut.
    Kennen Sie den älteren Griebel?
    Den Karl? O ja, gut.
    Das ist auch ein reizender junger Mann, er hat so schöne Augen. Er ist auch
    in mich verliebt.
    Hat er es Ihnen selber gesagt?
    Gewiß, vorgestern. Es war drollig.
    Sie lachte laut und legte dabei den Kopf zurück, so daß ich auf ihrem wei-
    ßen, runden Hals die Adern sich bewegen sah. Ich hätte nun gern ihre Hand
    genommen, wagte es aber nicht, sondern streckte ihr nur die meine fragend
    entgegen. Da legte sie mir ein paar Stachelbeeren in die offene Hand, sagte
    Adieu und ging davon.
    Ich sah nun allmählich, wie sie mit allen den Anbetern ihr Spiel hatte und
    sich über uns amüsierte, und ertrug von da an meine Verliebtheit wie ein
    Fieber oder eine Seekrankheit, die ich mit vielen andern teilte und von der ich hoffte, sie würde einmal aufhören und mir nicht das Leben kosten. Immerhin
    hatte ich böse Nächte und Tage . . . Ist noch Wein da?
    Danke. – Also so standen die Sachen, und zwar nicht nur in jenem Sommer,
    sondern mehr als ein Jahr lang. Hier und da fiel etwa einer der Liebhaber
    verdrossen ab und suchte andere Gehege auf, hier und da kam ein neuer da-
    zu, aber Salome blieb unverändert, bald fidel, bald still, bald höhnisch, und schien sich dabei herzlich wohl und belustigt zu fühlen. Und ich gewöhnte
    mich daran, jedesmal in den Ferien einen Rückfall in die heftigste Verliebt-
    heit wie ein der Gegend eigentümliches Fieber zu bekommen und aushalten
    zu müssen. Ein Leidensgenosse teilte mir im Vertrauen mit, wir seien Esel gewesen, ihr Erklärungen zu machen, da sie unverhohlen des öftern den Wunsch
    geäußert habe, alle Männer in sich verliebt zu wissen, und darum den wenigen Standhaften mit äußerstem Entgegenkommen um den Bart gehe.
    Unterdessen war ich in Tübingen in die Burschenschaft eingetreten und brach-
    te mit Trinken, Schlagen und Bummeln zwei muntere Semester hin. In dieser
    Zeit war Hans Amstein mein Intimus geworden. Wir waren gleich alt, beide
    begeisterte Burschenschafter und weniger begeisterte Medizinstudenten, wir
    trieben beide viel Musik und wurden einander allmählich unentbehrlich trotz
    mancher Reibereien.
    Schon an Weihnachten war Hans mit mir des Onkels Gast gewesen, denn
    auch er hatte längst keine Eltern mehr. Sehr wider mein Erwarten blieb er
    aber nicht an der schönen Salome, sondern an meiner blonden Cousine hängen.
    Auch hatte er schon das Zeug, sich angenehm zu machen. Er war ein feiner
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    und hübscher Mensch, machte gute Musik und war nicht aufs Maul gefallen.
    So sah ich mit Wohlbehagen zu, wie er sich um das Bäschen bemühte, und wie
    sie gern nachgab und sich anschickte, den drolligen Kampf mit ihrer bisherigen Sprödigkeit mehr und mehr zum Scheingefecht werden zu lassen. Ich selber
    lief nach wie vor auf allen Wegen, wo mir etwa die Salome begegnen konnte.
    An Ostern kamen wir wieder, und während ich den Onkel beim Angeln
    festhielt, machte mein Freund rasche Fortschritte bei der Cousine. Diesmal
    war Salome ziemlich häufig bei uns, versuchte mit Erfolg, mich toll zu machen, und sah dem Spiel zwischen Hans und Berta aufmerksam und mit scheinbarem
    Wohlwollen zu. Wir machten Waldspaziergänge, fischten, suchten Anemonen,
    und während die Salome mir den Kopf vollends verdrehte, ließ sie die andern
    beiden nicht aus den Augen, musterte sie überlegen und spöttisch und gab mir unehrerbietige Bemerkungen über Liebe und Brautglück zum besten. Einmal
    erwischte ich ihre Hand und küßte sie eilig, da spielte sie die Empörte und
    wollte Revanche haben.
    Ich werde Sie dafür in den Finger beißen. Geben Sie

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