Die Erzaehlungen 1900-1906
zum Angeln gehen. Es trieb mich aber wider Willen vor die Forstei.
Dort legte ich mich am Weg in die Haselbüsche und wartete und spürte kaum,
wie gottlos heiß und schwül der Morgen war. Darüber schlief ich ein wenig
ein und als ich aufwachte, war’s von Hufschlag und Stimmen. Die schöne
Salome fuhr mit einem Forstgehilfen in ihrem kleinen Wagen zum Wald, hatte
Angelzeug und Fischkorb mit und lachte wie eine Lerche in den Morgen hinein.
Der junge Forstmann hielt einen Sonnenschirm über sie ausgespannt, während
sie kutschierte, und lachte ein bißchen verlegen mit. Sie war hell und leicht gekleidet, mit einem riesengroßen dünnen Strohhut und sah so frisch und froh und glücklich aus wie ein Kind am ersten Ferientag. Ich dachte an meinen Hans und an sein graues Armsündergesicht, war verwirrt und erstaunt und hätte
sie viel lieber traurig gesehen. Der Wagen fuhr im muntern Trab talabwärts
und war bald verschwunden.
Vielleicht wäre es nun gut gewesen, nach Hause zu gehen und nach Hans zu
schauen. Mir graute aber davor und ich ging statt dessen dem Wagen nach,
zur Schlucht hinunter. Ich glaubte, ich tue es aus Mitleid mit meinem Freund und aus Verlangen nach Kühle und Waldstille, aber wahrscheinlich ist es mehr 107
das schöne, sonderbare Mädchen gewesen, das mich gezogen hat. Wirklich be-
gegnete mir weiter unten ihr umkehrender Wagen, vom Forstgehilfen langsam
kutschiert, und ich wußte nun, daß ich sie am Forellenbach finden würde.
Da spürte ich, obwohl ich längst im Waldschatten war, auf einmal die große
Schwüle, ich ging langsamer und begann mir den Schweiß aus dem Gesicht zu
wischen. Als ich an den Bach kam, sah ich das Mädchen noch nicht und ich
machte eine Rast und steckte den Kopf ins kalte schnelle Wasser, bis ich fror.
Dann ging ich behutsam über die Felsen bachabwärts. Das Wasser schäumte
und lärmte und ich glitt jeden Augenblick auf den nassen Steinen aus, weil ich fortwährend spionierte, wo Salome wohl sei.
Dastand sie denn auch plötzlich erschreckend nah hinter einem moosigen
Block, mit aufgerafften Kleidern und barfuß bis an die Knie. Ich blieb stehen und verlor ganz den Atem darüber, sie so schön und frisch und allein vor mir zu sehen. Einer ihrer Füße stand im Wasser und verschwand im Schaum, der
andere trat ins Moos und war weiß und schön geformt.
Guten Morgen, Fräulein.
Sie nickte mir zu und ich stellte mich in nächster Nähe auf, rollte die Schnur vom Stock und fing zu angeln an. Sprechen mochte ich nicht, aber auch die
Fischerei war mir nicht wichtig, ich war zu müd und zu dumm im Kopf.
Darum ließ ich die Angel hängen und fing keinen Schwanz, und als ich zu
merken glaubte, daß Salome sich darüber amüsierte und Grimassen schnitt,
legte ich die Rute weg und setzte mich ein wenig beiseite in die moosigen
Felsen. Da saß ich nun faul in der Kühle und schaute ihr zu, wie sie hantierte und watete. Es ging nicht sehr lang, da hörte auch sie auf, sich anzustrengen, sie spritzte eine Hand voll Wasser zu mir herüber und fragte: Soll ich auch
kommen?
Nun fing sie an ihre Strümpfe und Schuhe anzulegen, und als sie einen
anhatte, fragte sie: Warum helfen Sie mir nicht?
Ich halte es für unschicklich, antwortete ich.
Sie fragte naiv: Warum? worauf ich keine Antwort wußte. Es war für mich
eine sonderbare Stunde und keineswegs angenehm. je schöner das Mädchen
mir erschien und je vertraulicher sie nun mit mir tat, desto mehr mußte ich
an meinen Freund Hans Amstein und an die Berta denken und fühlte einen
Zorn gegen Salome in mir anwachsen, die mit uns allen spielte und zu ihrem
Zeitvertreib uns drei unglücklich gemacht hatte. Es schien mir jetzt Zeit, gegen mein leidiges Verliebtsein zu kämpfen und der Spielerei womöglich ein Ende
zu machen.
Ich fragte: Darf ich Sie nach Hause begleiten?
Ich bleibe noch hier, sagte sie, Sie nicht?
Nein, ich gehe.
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O, Sie wollen mich ganz allein lassen? Es wäre so hübsch, noch ein bißchen
dazusitzen und zu schwatzen. Sie plaudern oft so lustig.
Ich stand auf. Fräulein Salome, sagte ich, Sie sind gar zu liebenswürdig. Ich muß jetzt gehen. Sie haben ja Männer genug, mit denen Sie spielen können.
Sie lachte hell auf. Dann adieu! rief sie lustig, und ich ging davon wie geschlagen. Es war nicht möglich, dem Mädchen irgendein ernstes Wort abzuzwingen.
Unterwegs kam mir noch einmal der Gedanke, sie zu nehmen wie sie einmal
war, umzukehren und die Stunde zu benutzen. Aber
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