Die Erzaehlungen
den feierlichen Stühlen vorbei mürrisch; denn er ist nicht in der Laune zu lachen.
Endlich steht er an der Schwelle des silbergrauen Salons, in welchem die vielen Spiegel sind, und staunt. Trotz des beginnenden Dunkels erkennt er in ihnen: Frau Sita und seinen Sohn, den blassen Václav. Sie sitzen sehr weit voneinander, reglos in den hellen, seidenen Sesseln und sehen sich an. Sie sprechen nichts. Man möchte meinen, sie haben auch nichts gesagt. Sie warten. Merkwürdig. »Und ?« denkt Herr Mráz, jedesmal mit einem Fragezeichen dahinter: »Und ?« Bis ihm die Geduld ausgeht. »Belieben,« brüllt er und schwillt zur Tür herein » belieben sich nicht stören zu lassen, die Herrschaften.« Da fährt sein Sohn zitternd auf und sieht nach der Türe. Aber Pán Mráz befiehlt ihm zu bleiben.
Seither hat er etwas für die langen Nachmittage. Immer, wenn er sich recht unzufrieden fühlt, schleicht er auf seinen lautlosen Schuhen durch alle die schlafenden Zimmer in den kleinen Glassalon. Es kommt vor, daß die beiden noch nicht dort sind. Dann läßt er sie holen.
»Meine Frau und den jungen Herrn!« schreit er den Diener an.
Und dann müssen sie sich einander gegenüber in dieselben Sessel setzen wie damals. »Laßt euch nicht stören, meinetwegen « donnert Herr Václav und bettet sich behäbig in einen großen Grafensessel. Manchmal ist es, als ob er schliefe, wenigstens atmet er so. Aber er hat trotzdem die Augen ein wenig offen und betrachtet. Er hat sich allmählich an die Dämmerung gewöhnt. Er sieht jetzt viel besser als das erste Mal. Er bemerkt: wie die Blicke der beiden voreinander fliehen und sich, müde und hilflos, immer wieder in allen Spiegeln finden. Es entgeht ihm nicht, daß sie Angst haben, eines in die Augen des anderen zu fallen, wie in unermeßliche Abgründe. Und daß sie sich doch immer wieder an den Rand wagen. Daß sie spielen mit der Gefahr. Auf einmal faßt sie der Schwindel; und dann machen sie plötzlich beide zugleich die Augen zu, ganz wie zwei, die zusammen von einem Turm springen
Dann lacht Herr Mráz und lacht. Nach langer Zeit kann er wieder lachen. Das ist ein gutes Zeichen: er wird gewiß sehr alt werden.
Wladimir, der Wolkenmaler
(1899)
Sie sind wieder mal ganz herunter, Überflüssige, Abtrünnige, Betrogene in jedem Sinne. Jeder fängt bei sich selber an und verachtet so weiter nach oben und nach unten. Aus diesem Gefühle heraus sagt der Baron: »Man kann nicht mehr in dieses Caféhaus gehen. Keine Zeitungen, keine Bedienung, nichts.«
Die beiden anderen sind ganz seiner Meinung.
So sitzt man weiter um den kleinen Marmortisch herum, der nicht weiß, was diese drei Menschen von ihm wollen. Ruhe wollen sie, einfach Ruhe. Der Dichter drückt das ebenso deutlich wie onomatopoetisch aus.
»Quatsch« sagt er nach einer halben Stunde.
Und wieder sind die anderen derselben Ansicht.
Man wartet weiter, weiß Gott auf was.
Dem Maler beginnt ein Bein zu pendeln. Er betrachtet es eine Weile tiefsinnig. Dann begreift er die Bewegung und beginnt, langsam und mit Gefühl:
»Stumpfsinn, Stumpfsinn,
du mein Vergnügen «
Da ist es aber höchste Zeit aufzubrechen. Einer hinter dem anderen gehen sie und Kragen hoch. Das Wetter ist nämlich auch so. Heulen möchte man.
Was tun? Bleibt nur Eines: zwischen fünf und sechs zu Wladimir Lubowski gehen, auf eine Dämmerung. Natürlich. Vorwärts also: Parkstraße 17. Ateliergebäude.
Zu Wladimir Lubowski kommt man nur durch seine Werke. Er raucht nämlich seine Bilder alle. Das ganze Atelier ist voll des phantastischen Qualmes. Du kannst von Glück reden, wenn du durch diese Urnebel auf dem kürzesten Wege zu dem alten abgenutzten Ruhebett gefunden hast, auf welchem Wladimir wohnt tagaus, tagein.
Auch heute natürlich. Er steht nicht auf und wartet die drei »Betrogenen« ruhig ab. Die setzen sich rings um ihn, ein jeder nach Art und Anlage. Sie haben irgendwo grüne Chartreuse gefunden und Zigaretten. Selbstverständlich machen sie ohneweiters Gebrauch davon, mit der Miene von Menschen, die sich fortwährend aufopfern. Die Zigaretten sind sogar fein: Gott ja was tut man nicht alles diesem elenden Leben zu Liebe.
Der Dichter lehnt sich zurück: »Oder ist es etwa nicht ein Machwerk, das Leben, etwas für Dilettanten wie?« Wladimir Lubowski antwortet nicht.
Die anderen warten gerne. Es ist so seltsam gut in diesem duftenden Dunkel. Man muß nichts tun als stillhalten, dann nimmt es einen hin und beginnt einen zu wiegen
»Wie Sie das
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