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Die Erzaehlungen

Die Erzaehlungen

Titel: Die Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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machen, Lubowski, es riecht gar nicht nach Terpentin bei Ihnen « meint der Maler obenhin und der Baron ergänzt:
    »Im Gegenteil. Haben Sie hier irgendwo Blumen?«
    Stille. Wladimir bleibt weit hinter seinen Wolken.
    Aber die drei sind geduldig. Sie haben Zeit und Chartreuse.
    Sie kennen das: abwarten, es wird schon kommen.
    Und dann kommt es:
    Rauch, Rauch, Rauch und dann liebe, langsame Worte, welche durch die Welt gehen und die Dinge bewundern von weit. Die Wolken heben sie hoch. Lauter heimliche Himmelfahrten.
    Zum Beispiel:
    Rauch. »Das macht: Die Menschen schauen immer von Gott fort. Sie suchen ihn im Licht, das immer kälter und schärfer wird, oben.« Rauch. »Und Gott wartet anderswo wartet ganz am Grund von Allem. Tief. Wo die Wurzeln sind. Wo es warm ist und dunkel « Rauch.
    Und der Dichter beginnt auf und ab zu gehen, plötzlich.
    Die Drei denken an den Gott, der irgendwo hinter den Dingen wohnt wunderwo.
    Und später:
    »Angst haben ?« Rauch. »Wozu?« Rauch. »Man ist ja immer über ihm. Wie eine Frucht, unter welche jemand eine schöne Schale hält. Golden leuchtend im Laube. Und wenn die Frucht reif ist, läßt sie sich los « Da hat der Maler den Rauch zerrissen, so mit einer ungestümen Bewegung: »Herrrr Gott « sagt er und findet auf dem Ruhebett einen kleinen blassen Menschen, der große merkwürdige Augen hat. Augen, mit ewiger Trauer hinter allem Glanz, so frauenhaft froh. Und ganz kalte Hände. Und der Maler bleibt unbeholfen davor. Er weiß nicht mehr recht, was er wollte.
    Es ist gut, daß der Baron hinzutritt: »Das müssen Sie malen, Lubowski « Was weiß der Baron nicht genau. Immerhin wiederholt er: »Wirklich, Lubowski.« Und das klingt fast ein wenig gönnerhaft, ohne daß er es will. Wladimir hat indessen einen weiten Weg gemacht: vom Schrecken durch ein dunkles Staunen durch. Endlich kommt er beim Lächeln an und träumt leise: »Oh ja, morgen.« Rauch.
     
    Da haben die Drei keinen Raum mehr im Atelier. Einer stößt sich am anderen. Sie gehen alle: »Auf Wiedersehen, Lubowski.«
    An der nächsten Ecke schon schütteln sie sich die Hände mit unnötiger Heftigkeit. Sie haben Eile einander loszuwerden. Sie trennen sich weit.
    Ein kleines behagliches Café. Kein Mensch drin und summende Lampen. Da hat der Dichter begonnen Verse zu schreiben auf den Umschlag eines empfangenen Briefes. Und immer schneller wird die Schrift und immer kleiner; denn er fühlt: es kommen viele, viele.
    Dann fünf Treppen hoch, im Atelier des Malers ist ein Vorbereiten für morgen. Mit einem Lied hat er den Staub von der Staffelei gepfiffen, den alten Staub. Steht eine neue Leinwand drauf, wie eine Stirne licht. Umkränzen möcht man sie.
    Nur der Baron ist noch unterwegs. »Halbelf, Olympiatheater, Seitentür!« hat er einem Kutscher anvertraut und ist ruhig weiter gegangen. Es ist ja noch eine Menge Zeit vorher zum Ausruhen und zum Toilettemachen. Keiner denkt an Wladimir Lubowski.
     
    Wladimir hat seine Tür verschlossen und gewartet, bis es ganz dunkel geworden ist. Dann sitzt er, klein, am Rande des Ruhebettes und weint in die weißen eisigen Hände hinein. Es kommt ihm leicht und leise, ohne Anstrengung und ohne Pathos. Es ist das Einzige, das er noch nicht verraten hat, das ihm allein gehört. Sein Einsames.

[Aufzeichnung: Ein Abend]
(3. November [1899] Mitternacht nah)
    Ich fürchte in mir nur diejenigen Widersprüche, die Neigung haben zur Versöhnlichkeit. Das muß eine sehr schmale Stelle meines Lebens sein, wenn sie überhaupt daran denken dürfen, sich die Hände zu reichen, von Rand zu Rand. Meine Widersprüche sollen nur selten und in Gerüchten von einander hören. Wie zwei Fürsten entfernter Lande, die plötzlich erfahren, daß sie einander hassen, da sie beide ausziehen, um dasselbe Mädchen zu werben. Das Mädchen aber … doch warum Alles verraten?
    Manchmal ist man imstande zu sagen: ich bin froh. Und, wer dich versteht, dem ist dies genug, er kann ohneweiters der Vertraute deiner Freude sein. Oder wieder sagst du: ich bin traurig, und dein Zustand ist in der Tat ein einfaches Traurigsein, das sich nicht anders bezeichnen läßt. Zwischen diesen beiden Stimmungen aber gibt es eine ganze Reihe von Nuancen, Übergängen, zögernden Gefühlen mit lange nachhallenden Tönen. Um sie zu bezeichnen sagst du: ich bin …, nein, ich glaube, du sagst vielmehr: es ist …
    Es ist, zum Beispiel, ein Abend in einer Stube; vor den Fenstern helle Dämmerung, mit den ungewissen Umrissen von

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