Die Erzaehlungen
keiner Seite. Ich will einfach: Schönheit …«
»Ja « sagt Frau Malcorn, wie zu sich selbst.
»Du fühlst das?« Und beinahe überrascht sieht Harald sie an.
»Ja …« wiederholt sie leiser und wagt kaum die Augen zu heben.
Und nach einer kleinen Stille hört sie ihn sagen: »Wie schön du bist!« Und schauernd fühlt sie sich von ihm angeschaut.
Und wieder: »Wie schön du jetzt bist.«
Mit ganz leisen, verhaltenen Bewegungen steht sie auf und wartet, bis er ruft: »Du warst nie so schön!«
Aber diesmal erkennt sie seine Stimme nicht. Und unsicher geht sie von ihm fort und stellt sich ins Dunkel, wie unter den Schutz der Uhr, deren Atem ganz nahe geht.
»Wie du gehst! Junge Mädchen gehen so.«
Und sie steht zwischen den beiden Fenstern und horcht.
Und er fragt sie: »Wie heißt du eigentlich?«
Sie rührt sich nicht, denkt aber: das Fieber, und fühlt eine große Erleichterung, aber zugleich ist ihr traurig, als ob ihr etwas wieder genommen würde, etwas kaum Geschenktes.
Und er sagt: »Ja, ich habe dich nie beim Namen genannt. Ich hab ihn vergessen.«
Eine Weile hört sie ihr Herz und wieder ihn. »Ich weiß jetzt: Edith heißt du « Und wenn es doch das Fieber ist, denkt sie und horcht.
»Aber wie haben dich die genannt, die … die … die du lieb gehabt hast?«
Sie weiß kaum, daß sie antwortet und mit einer anderen, jungen Stimme: »Edel.«
Und er nimmt den Namen und liebkost ihn: »Edel ja, so mußt du heißen. Edel: das ist weiß, ganz weiß … Aber du hast ja immer noch das alte Kleid, das Kleid von gestern und vorgestern, das schwarze Kleid, das kranke Kleid … Du bist ja nicht weiß. Du hast deinen Namen verraten. Du darfst ihn nicht mehr verleugnen jetzt; geh, hol dir dein weißes Kleid!«
Sie klammert sich an den schwarzen Kasten der Uhr.
»Geh!«
»Morgen! …«
Er hört nicht. »Worauf sollen wir warten? Schönheit will über uns kommen.«
Und seine Worte drängen sie zur Tür, aber sie zögert noch.
»Eil dich! Mach dich schön und komm bald. Indessen wird hier alles festlich sein. Alle Kerzen, alle Lampen werden brennen, wenn du wiederkommst, weiße Edel!«
Und da macht er eine Bewegung, als ob er sich erheben wollte. Und sie will hin zu ihm, will es verhindern, will mütterlich sein. Aber er steht schon da, stark, groß, die Arme wie Flügel, und lacht ihr zu.
Und jetzt gehorcht sie und geht.
Und selig sieht er ihr nach. Und lächelt.
Aber das Lächeln hat nicht Halt auf seinen schmalen Lippen. Wie die Uhr sich regt, fällt es ihm ab, und erschrocken deckt er sein leeres Gesicht mit den Händen zu. Und fühlt sie kalt. Und er ist allein, und das Dunkel ist groß und drückt ihn in den Stuhl zurück, in dem er stumm versinkt.
So bleibt er, vielleicht lange.
Denn als er zu sich kommt, ist Nacht.
Seine Augen sind der schwarzen, schweren Dinge entwöhnt und gehen bang in der Stille umher. Plötzlich werden sie groß. Eine Tür bewegt sich, und es kommt heraus, als ob Mondlicht ginge. Und vor dem Fenster sieht man: es ist eine Frau, ganz weiß …
Da wehrt sich Harald mit den hageren Armen und schreit, häßlich vor Angst, heiser: »Noch … nicht! Walpurga!«
Jemand hat Licht gemacht.
Harald sitzt entstellt in den Kissen, den Kopf noch vorgestreckt, mit herabhängenden Händen. Und vor ihm steht Frau Malcorn, welk, in Atlas, mit Handschuhen. Und sie sehen sich mit fremdem Entsetzen in die toten Augen.
Das Lachen des Pán Mráz
(1899)
Zur Geschichte des Pán Václav Mráz ist folgendes nachzutragen:
Was Herr Mráz bis zu seinem vierzigsten Jahre trieb, konnte nicht ermittelt werden. Es ist auch gleichgültig. Jedesfalls lebte er nicht vom Verschwenden, denn in dem genannten Alter erwirbt er Schloß und Gutshof Vešin mit vollem Inventar von einem Grafen von Bubna-Bubna, der unglaublich verschuldet war.
Die ältlichen Jungfrauen, die damals noch in weißen Kinderkleidern vor dem Schloßtor auf den neuen Gutsherrn warteten, erzählen nicht, daß das vor zwanzig Jahren war; als ob es gestern gewesen wäre, wissen sie, daß Pán Mráz gerade ausspuckte, als man ihm den großen Strauß Rosen aus dem Pfarrgarten in den Wagen reichte. Das geschah übrigens aus Zufall und ohne jede arge Absicht.
Am nächsten Tage ging der neue Herr durch sämtliche Räume des uralten Schlosses. Er hielt sich nirgends auf. Nur einmal blieb er eine Weile vor einem steifen, feierlichen Empire-Stuhl stehen und lachte ihm laut ins Gesicht. Diese kleinen krummbeinigen Tischchen, diese
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