Die Erziehung - Roman
die um nichts in der Welt vor seinem Meister erwähnt werden durfte, wenn man nicht eine Katastrophe auslösen wollte. Er glaubte ihn zu verstehen: Verabscheute er es nicht ebenso, wenn von Quimper oder seinen Erzeugern gesprochen wurde? Billod, mit seinem Schwert bewaffnet, gab eine lächerliche Erscheinung ab, und viele lachten, wenn er sich in ihr Viertel vorwagte, und behaupteten, er werde sich eines Tages in der Bastille von seinem falschen Titel lossagen. Doch man ließ ihn gewähren, schrieb diese Schwärmerei seiner Überschwänglichkeit zu, seinem Hang zur Selbstdarstellung; was nicht falsch war, denn wäre er zu einem Duell herausgefordert worden, so wäre Justin Billod schon allein bei der Ankündigung in Ohnmacht gefallen, noch bevor er die Waffe aus der Scheide gezogen hätte.
Manchmal verlangte er, dass Gaspard eine Perücke trug, eins dieser weißen Haarteile mit Locken. Wenn zum Beispiel ein Kunde von gewisser Bedeutung vorbeikam, um die Kollektion zu sichten, musste alles perfekt sein, bis ins Detail. In ein Gewand gezwängt, das Billod zu diesem Anlass hervorsuchte, welches aber für den früheren Lehrling geschneidert worden und etwas zu kurz war, fühlte sich Gaspard völlig fehl am Platz und wartete nur darauf, dass der Besuch vorbei war. In der übrigen Zeit aber schätzte er das Leben in der Werkstatt: sich abseits halten, die Kunden belauschen, ihre unterschiedlichen Geschmäcker, Sitten und Laster entdecken. Ihr unverhohlenes Desinteresse zeigte sich durch eine Obsession für den Tratsch, eine Vorliebe fürs Gerücht, die noch ausgeprägter war als bei den Armen. Für Gaspard stellten sie ein Studienobjekt dar. Er wurde nie müde zu beobachten, die Worte aufzusaugen, die die gelösten Zungen freimütig von sich gaben. Billod bat ihn meist, die eine oder andere Perücke zu zeigen, auf den Schemel zu steigen, um ein Modell herunterzuholen, ein anderes wegzuräumen. Er führte die Befehle schweigend aus. Den Kunden gefiel er. Als Billod das verstanden hatte, achtete er sorgfältig darauf, dass Gaspard stets präsentabel war. Er ermutigte ihn, öfter das Feiertagsgewand zu tragen, gestattete ihm, besser zu essen, interessierte sich für seinen Teint, sein Gewicht, gab ihm gar ein paar Sous, damit er die Bedürfnisse, die jeder Mann hat, befriedigen konnte. »Ist er nicht charmant, dieser Junge? Oh, wirklich, Justin, Sie haben ein gutes Auge! Sie haben keinen schlechten Tausch gemacht!«, neckte ihn eine Kundin. Billod brummte, doch Gaspard ahnte seine Genugtuung. Alles, was den Käufer anlocken konnte, musste gepflegt werden. »Er hat mich eben zum richtigen Zeitpunkt aufgesucht, das ist alles! Sonst hätte ich ihn nicht nehmen können! Hätten Sie seine Aufmachung gesehen, meine Liebe, Sie hätten Reißaus genommen!«, rechtfertigte er sich. Die Dame lachte, fächelte sich ein wenig, bereits gelangweilt: »Ach wirklich? Nein, ich glaube Ihnen kein Wort! Hören Sie nicht auf ihn, junger Mann! Er ist nur eifersüchtig!« Billod schimpfte in seinen Bart, schüttelte seine Kartons in alle Richtungen, um die Kundin zum Schweigen zu bringen, schwitzte unter seiner Perücke, wich dem Blick seines Lehrlings aus, der ohnehin auf den Boden starrte, sich zu einem Lächeln zwang und sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Wenn der Meister auch zufrieden war, dass sein Schüler der Kundschaft gefiel, so schätzte er doch kaum, dass Gaspard ihn selbst in den Schatten stellte. Sobald der Tag zu Ende war und sie die Werkstatt geschlossen hatten, polterte Billod in seine Wohnung hinauf, bei jeder Stufe seinen Absatz aufschlagend, knallte die Tür zu und verschwand bis zum nächsten Morgen.
Abends spazierte Gaspard durch das Viertel. Doch sobald er durch das Labyrinth der Straßen irrte, spürte er jenseits der Häuser die Präsenz der Seine. Sein Geist wanderte unermüdlich zum Fluss. Eine Flut stieg in ihm auf, düstere Wellen, eine Horde Geister und Gerüche. Er fühlte den unwiderstehlichen Ruf, den unersättlichen Hunger der Seine, einen Sirenengesang. Der Gedanke, dass diese Anziehung Ausdruck seines Wunsches sein könnte, erfüllte ihn mit Panik. Wie konnte er zum Fluss zurückkehren, wo er es geschafft hatte, sich seinen Fängen zu entreißen? Er kämpfte gegen eine rasende Nervosität, ein lauerndes Entsetzen, und zog mit eiligem Schritt durch die Straßen, fixierte mit dem Blick jede Einzelheit, um sich daran festzuhalten und die Seine aus seinem Geist zu verjagen. Spät in der Nacht kehrte er
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