Die Erziehung - Roman
Trittbrett seines Wagens auf die Vortreppe eines Geschäfts. Durch irgendein Wunder blieb er stets unbefleckt. Dies trug ihm den unbedingten Respekt Billods ein. Monsieur Baudin hatte ein paar Tausend Livres angespart, doch sein Drama bestand lange Zeit darin, dass er keine Kinder hatte, denen er diese Errungenschaft hätte vermachen können. Wie Justin Billod hatte Monsieur Baudin ein Faible für das männliche Geschlecht. Beide teilten sich den Schmerz, sich nicht fortpflanzen zu können, wobei der eine etwas besser damit zurechtkam als der andere. Tatsächlich unternahm Baudin große Anstrengungen, um den Missstand zu beheben. Eine dieser Anstrengungen hieß Madame Emilie Baudin, geborene Bastide, die er heiratete, als sie noch keine sechzehn war und er bereits über fünfzig. »Eine hübsche Kleine«, sagte er, »mit weißem Fleisch, pechschwarzem Haar und opalblauen Augen.« Es war ein Arrangement zwischen den zwei Familien. Die kleine Emilie war eine Kaufmannstochter, die Verbindung zu ihren Gunsten. Die außerordentliche Frömmigkeit der Bastides hatte die Familie veranlasst, die Erziehung der kleinen Emilie schon im zartesten Alter einem Nonnenkloster, den Filles Saint-Michel, anzuvertrauen, wo sie glaubte, ihr Leben in den Freuden der Gottergebenheit zu Ende zu führen. Doch als Baudin, ein Freund der Familie, um ihre Hand anhielt, holte man sie auf der Stelle, um sie noch im selben Monat zu verheiraten. Ihre Tränen und ihr Entsetzen änderten nichts daran.
Für viele jener Männer, die Monsieurs Geschmack teilten, stellte die Heirat oft einen fatalen Ausweg dar, und man zog es vor, in getrennten Zimmern zu schlafen, damit jeder sich seines Privatlebens erfreuen konnte, im engeren wie im weiteren Sinn. Während der Monate, die auf die Hochzeit folgten, kam Monsieur jeden Abend zu seiner Frau, nachdem er lange Vorbereitungen getroffen und sich eingestimmt hatte. Doch einmal umhüllt von Laken und Daunen tat sich gar nichts. Madame wartete schweigend, in der vorbildlichen Position – die ihr die Mutter, rot vor Scham, am Tag der Feier beigebracht hatte –, und betete, die Angelegenheit möge rasch und schmerzlos vorübergehen. Monsieur Baudin verlor den Mut, bekam Angst vor der Leere und schwindelte angesichts dieses konkaven Geschlechts, das ihn zu verschlingen drohte. Nach einigen fruchtlosen Versuchen, einem Griff nach den Brüsten, ein paar feuchten Küssen schlüpfte er murrend aus dem Bett und kehrte mit schlotterndem Nachthemd im Halbdunkel in sein Zimmer zurück. Madame seufzte erleichtert auf. Im Laufe der Zeit wurden die Besuche seltener, Monsieur Baudins Entschlossenheit brüchiger, bis er schließlich jede Hoffnung aufgab. Auch die Medikamente konnten nichts daran ändern. Was seine Frau betraf, so hatte sie ihre kindliche Frömmigkeit und die weisen Ratschläge der Nonnen bald vergessen. Sie kam bestens mit den Neigungen ihres Gatten zurecht. In der neu gewonnenen Freiheit fand sie zahlreiche Liebhaber. Sie alle trugen zu ihrer Aufklärung bei und machten so schnell wett, was ihre Erziehung an Lücken gelassen hatte. Natürlich sprach Monsieur Baudin bei seinen Besuchen in der Werkstatt nie über Derartiges. »Meine zärtliche Gattin kann wahrscheinlich keine Kinder bekommen, aber wir lieben uns, ist das nicht die Hauptsache?«, fragte er Billod. Dieser stimmte zu, und beide fühlten das schändliche Gewicht der Lüge. Als Madame zweimal schwanger wurde, war das Erstaunen groß. Man tuschelte, dass zwischen den beiden ein Arrangement geschlossen worden sei. Bald sah man Monsieur mit zwei hübschen Knirpsen an der Hand spazieren und murmelte: »Wie eigenartig, keins der beiden sieht seinem Vater ähnlich.« In der Tat, waren doch alle beide rothaarig. Und so vollendete Madame ihr Leben anstatt in Gottergebenheit in Ekstase und Ausschweifung.
Das jedenfalls gab Madame d’Issenssac zum Besten, eine treue Kundin, die die Baudins gut kannte, hatte sie doch mehrmals bei ihnen diniert. Madame d’Issenssac ging nichts über eine öffentliche Hinrichtung, und sie trieb dieses Laster so weit, sich gelegentlich als einfache Arbeiterin zu verkleiden, um sich besser unter die Menge mischen zu können. Dann war da Monsieur Delors, der seinen Namen gerne in zwei Wörtern schrieb und ein kleiner, überaus gesprächiger Herr war, der ständig lachte, das Gesicht rot wie ein Puter. Oder Madame de Talant, mit einem Teint noch weißer als ihre Perücken, die sie aus lauter Zeitvertreib kaufte, da sie mit ihren
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