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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ein Zittern beinah, durchlief seinen Körper. Sein Mund füllte sich mit Speichel. Er legte die linke Hand auf seinen Unterleib.

III

EIN VERHÄLTNIS
    Ganz unerwartet kam Etienne de V. zwei Wochen nach seinem letzten Kauf erneut ins Atelier. Der Regen hatte seit fünf Tagen nicht aufgehört. Das Wasser war in den Keller eingedrungen, hatte die Ratten vertrieben und die Füllung der Matratze durchnässt. Billod, wütend, dass Gaspard die Geruchsschwaden dieses Morasts hinter sich herzog, verlangte von ihm, die Tür abzudichten. Der Lehrling durfte sein Lager in der Werkstatt einrichten. Im Trockenen zu schlafen und nicht mehr länger den kalten Luftzügen ausgesetzt zu sein war ein großes Glück für Gaspard, der kurz vor einer Lungenentzündung stand. Eines Morgens, als er im Hinterzimmer des Ateliers sein Bett unter den Werktisch räumte, klopfte es an die Haustür. Gaspard lauschte angestrengt, denn die Kakophonie der Straße brachte oft ähnliche Geräusche hervor. Als er sicher war, dass er sich nicht verhört hatte, ging er hinunter und öffnete. Er war bereits angekleidet, hatte sich aber das Gesicht noch nicht gewaschen. Seine Haare standen wie schwarze Federn von seinem Kopf ab. Eine kurze Aufklarung tauchte die Straße in ein grelles Licht, und Gaspard glaubte für einen Augenblick, die Silhouette seines Vaters im Schweinestall vor sich zu haben. Der Schreck packte ihn, und er wich einen Schritt zurück, doch da machte die Wirklichkeit wieder ihre Rechte über das Spiel des Lichts geltend. Der Graf betrachtete ihn neugierig, eine Hand noch immer erhoben. »Sie machen vielleicht ein Gesicht, junger Mann«, sagte er. Gaspard erstarrte vor Verblüffung. Etienne de V. wartete, dass der Lehrling ihn zum Eintreten aufforderte. Da dieser ihn bloß verdutzt ansah, fragte der Graf schließlich: »Darf ich eintreten, oder wollen Sie mich wie einen Strolch auf Ihrer Vortreppe stehen lassen?« Diese Worte, die einer Dame aus gutem Hause angestanden hätten, waren voll bissiger Ironie. »Verzeihen Sie, Monsieur, ich bitte Sie«, stotterte Gaspard und wich zur Seite. Der Mann trat über die Schwelle, und der Lehrling machte die Tür zu, die mit einem Knacken ins Schloss fiel. Der Lärm der Straße wurde leiser, das Licht wieder dumpf. Reglos und stumm standen sich die beiden Männer gegenüber. Gaspard brachte kein Wort heraus, das Schweigen des Grafen, das keinerlei Angst verriet, lähmte den Lehrling. Um nicht unhöflich zu erscheinen, redete er: »Monsieur, mein Meister ist noch nicht aufgestanden, soll ich ihm von Ihrer Anwesenheit Mitteilung machen?« Etienne de V. zog seine Handschuhe aus. Er zupfte an jedem einzelnen Finger mit einer Ungezwungenheit, die Gaspard als Amüsiertheit auffasste. Mit dieser Geste mokierte sich der Graf über seine Unterwürfigkeit, stellte sie grausam bloß und überführte damit den zum Lehrling mutierten Bauernbuben. »Die Rolle des tadellosen Domestiken steht Ihnen hervorragend … Wirklich überzeugend«, sagte er. Der Gleichmut in seiner Stimme machte Gaspard betroffen. Die Erniedrigung trocknete ihm die Kehle aus. Er spürte, wie sein Puls klopfte, wie ihn diese so sehr herbeigesehnte Präsenz und diese stechende Verachtung erregten. Seine Wangen liefen purpurrot an. »Es kommt mir zupass«, sagte der Graf, »dass Billod noch nicht wach ist. Ich kenne seinen Hang zur Faulheit. Ihr Meister lebt einzig für die Verlockung des Geldes und den Müßiggang, den es erlaubt.« Gaspard schluckte. Die Offenheit des Grafen mündete wider Willen in eine unschickliche Vertraulichkeit, und da er nicht wusste, wie er reagieren sollte, schwieg er wie benommen. Der Adelige betrachtete ihn, freute sich über den Eindruck, den seine Worte auf den Perückenmacherlehrling ausübten. Gaspard spürte die ganze Lächerlichkeit der Aufmachung, die Billod ihm aufzwang. Aus dem Keller stieg trotz der Bretter, die Gaspard vor den Türstock genagelt hatte, ein scharfer Mief herauf. Ihm fiel ein, der Graf könne ihn verdächtigen, dass dieser Gestank von ihm ausging. Noch stärker sickerte die Erniedrigung durch seine Venen. Der Mann jedoch ließ keinerlei Geniertheit erkennen und schien sich wohl zu fühlen in dieser Vertrautheit, die zwischen einem Mann seines Standes und einem unbedeutenden Werkstattgesellen so unangemessen war, dass sich Gaspard gekränkt fühlte. »Es wäre jedoch ungerecht, Ihrem Meister dies zu verdenken«, fuhr Etienne de V. fort. »Es gibt solche Existenzen, die ihre Trägheit

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