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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Schüler trotzdem, warf er ihm einen verächtlichen Blick zu oder übersah ihn ganz einfach, griff zu sämtlichen Listen, um ihn aus seinem Gesichtsfeld zu entfernen. Da der Nachmittag ruhig war und die Kunden der Werkstatt fernblieben, beschäftigte sich Gaspard damit, die Regale abzustauben, und stellte sich dann ans Fenster, um die Straße zu beobachten. Der dichte Himmel kündigte Schnee an. Der Winter würde ohne jeden Zweifel streng werden. Billod hatte Gaspard am Vortag aufgefordert, den Keller wieder zu öffnen und nachzusehen, ob der Boden trocken war. Das Wasser war seit langem abgeflossen, der Raum aber noch immer nass, die Steine schleimig. Über allem hing ein ranziger Geruch. Nachdem der Perückenmacher kurz den Kopf hereingesteckt und einen angewiderten Blick in das nasskalte Zwielicht geworfen hatte, befand er, es sei Zeit, dass Gaspard sein altes Lager wieder beziehe. Obwohl es sich dabei um eine reine Boshaftigkeit handelte, protestierte der Lehrling nicht, sondern richtete schweigend seine Matratze wieder im Untergeschoss ein. In den ersten Nachtstunden wärmte ihn der kleine Ofen, das Holz musste rationiert werden.
    Da er wenig geschlafen hatte und fühlte, dass die Müdigkeit ihn überwältigte, döste er eine Weile. Er fragte sich, womit sich Etienne beschäftigte, erkannte, dass es ihm zusehends unerträglich wurde, von ihm getrennt zu sein, die einfachsten Dinge seines Alltags nicht zu kennen. Er wusste nichts oder fast nichts über diesen Mann. Hatte nichts in der Hand, das es ihm erlaubt hätte, sich auf die Suche nach ihm zu begeben, sollte er erneut untertauchen. Etienne gegenüber wirkten die gewöhnlichsten Fragen unangebracht, und er wagte nicht, sie zu stellen, aus Angst, sich wieder lächerlich zu machen. Wie lange würde er es ertragen, so auf Distanz gehalten zu werden? Konnte er, nachdem er am Wohlstand geschnuppert hatte, Billods Gegenwart noch lange erdulden, wie Etienne es offensichtlich wollte, wo er doch, das glaubte er mit Überzeugung, seinem Fortkommen im Wege stand? Dass er in die Unwirtlichkeit des Kellers und zu den herumhuschenden Ratten zurückgeschickt wurde, hatte einzig den Zweck, ihn an seinen Rang zu erinnern. Der Handwerker hatte sich nicht getäuscht. Es war für Gaspard eine Qual, sich wieder hier hinzulegen. Während er glaubte, Tausende von neuen Möglichkeiten in Reichweite zu haben, musste er sich mit dem niedrigsten Elend zufriedengeben. Die Ansprüche und der Komfort, die ihm seiner Meinung nach zustanden, machten es ihm unmöglich, seine Situation bescheiden einzuschätzen. Diese aber waren ein Vorrecht der Reichen, und Gaspard erwies sich als äußerst ambitioniert, aber auch wenig hellsichtig in seinem Wunsch dazuzugehören. Etienne hatte ihm am Vorabend seine Absicht mitgeteilt, ihn mit allen Extremen vertraut zu machen, doch der junge Mann hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Der Graf hatte ihm die trostlosen Orte der Hauptstadt gezeigt, um ihm dann die Türen zur Mondänität zu öffnen, und es war absurd zu denken, dass er ihn nicht in diese Welt einführen wollte, in der er sich in seiner Gesellschaft gezeigt hatte. Während er auf die Straße hinaussah, empfand Gaspard einen bitteren Groll gegen Billod und seine Situation als Perückenmacherlehrling, aber auch den Wunsch, Etienne wiederzusehen, der ihn keinen Augenblick verließ; sein Wohlwollen einmal vorausgesetzt.
    Sein Warten wurde durch ein Schreiben abgekürzt, das ihm wenige Stunden später ins Atelier gebracht wurde. Ein Bote streckte ihm einen wachsversiegelten Brief entgegen. Gaspard öffnete ihn mit fiebriger Ungeduld. Er bestand aus einem einzigen Blatt, das mit einer forschen Schrift überzogen war. Etienne bat ihn, sich noch in derselben Stunde in eine Schenke neben dem Grand-Châtelet, in der Rue Saint-Germain-l’Auxerrois, zu begeben. Gaspard säuberte sich in aller Eile das Gesicht, entschied sich für die Kleider, die Etienne ihm geschenkt hatte, in der Vorstellung, dass er bestimmt wieder ein Diner oder einen Salon vorgesehen hatte und er anständig gekleidet sein musste. Er benetzte seine Achseln mit kaltem Wasser aus einem Eimer, rieb sich mit einem Lappen trocken. Er hatte sich einen Handspiegel gekauft, in dem er sich nun prüfend ansah. Er fand sich hübsch und elegant, aber die Schwärze des Untergeschosses, der fette Ruß, der an den Wänden klebte, dämpften seinen Eifer ein wenig ab. Selbst die Ratten schienen im Dunkeln über ihn zu lachen, und auf einmal sah er nicht

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