»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Goldenen Zuckerhuts auf die Bühne gestiegen, um von ihren Essgewohnheiten zu erzählen.
Wachstum auf Kosten der Kleinen – das ist die immanente Logik einer Branche, die sich unter Profitzwang begeben hat und meint, deshalb rücksichtslos handeln zu können. Dass die systematischen Täuschungen und Lügen gerade auf Kosten der Kinder gehen, ist massiv verbreitet und fällt angesichts der ungeheuren Fülle von Grenzüberschreitungen immer weniger auf. Die Flut der entsprechenden Produkte ist fast unübersehbar.
Eines davon ist »Capri-Sonne« von Wild, eine der bekanntesten Getränke-Marken weltweit, deren Hersteller auch zu den führenden Anbietern von Aromen gehört. »Capri-Sonne« ist ein Klassiker, aber alles andere als harmlos. Angebliche Erfrischungsgetränke wie Wilds »Capri-Sonne« zählen zu den bedeutendsten Risikofaktoren für Übergewicht bei Kindern. Doch davon ist auf den Trinkbeuteln, in Anzeigen und auf der Internetseite nichts zu merken, dort prangen umso mehr frisch aufgeschnittene Orangen und locken Aussagen wie »gesunde Früchte« oder »gesunde Ernährung«. Die Werbeprofis betreiben kühl kalkulierten Etikettenschwindel, um ihr Produkt als »gesund« zu positionieren, was es keineswegs ist: Auf Nachfrage sagen sie, sie behaupteten ja gar nicht, dass »Capri-Sonne« ein gesundes Lebensmittel sei. Sondern nur, dass sie »gesunde Früchte« verwenden. Das bedeutet nur, dass in den Trinkbeuteln keine kranken oder faulen Früchte landen – sondern eben »gesunde«. Also das, was ohnehin gesetzlich vorgeschrieben ist.
Die Werbung für »Capri-Sonne« behauptet auch, dass nur Früchte aus »kontrolliert-integriertem Anbau« verwendet würden. Das klingt gut und für manche Ohren – verständlicherweise – irgendwie auch nach »kontrolliert-biologischem Anbau«, hat damit aber rein gar nichts zu tun. Im »integrierten« Anbau kommen nicht nur alle gesetzlich zugelassenen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Auch ob Umwelt, Tiere oder Verbraucher dadurch wirklich irgendeinen Nutzen haben, ist nicht gesichert. Mit dem »integrierten Anbau« ist es also wie mit den »gesunden Früchten«: eine raffinierte, aber bösartige Wortspielerei auf Kosten derer, die »Capri-Sonne« kaufen und von denen das Unternehmen Wild lebt.
Und so geht es weiter bei Wild: Das Fruchtsaftgetränk »Capri-Sonne« hat mit Früchten nicht viel zu tun, dafür umso mehr mit Aromen, Zucker und Wasser. Auf gerade einmal zwölf Prozent Fruchtsaft bringt es eine Trink-Packung der Sorte »Orange«: sieben Prozent Orangensaft, das entspricht etwas mehr als zwei Esslöffel pro Packung, sowie fünf Prozent Zitronensaft. Der Rest ist Zuckerwasser, aufgepeppt mit einem kräftigen Schuss Lebensmitteltechnologie – Aromen nämlich, ohne die »Capri-Sonne« wahrscheinlich nie so »fruchtig« schmeckte. Dafür stecken in jeder Trinktüte 6,5 Stück Würfelzucker.
Damit nicht genug: Das Unternehmen, dessen Kernzielgruppe die 6- bis 12-Jährigen sind, vermittelt in »Capri-Camps« »Spaß an Bewegung und gesunder Ernährung«, natürlich mit einem großen »Capri-Sonne«-Plakat im Hintergrund und offenbar jeder Menge »Capri-Sonne«-Trinkpäckchen für die kleinen Sportler; die Marke ist Förderer des Schulschwimmens in Baden-Württemberg, hat mit dem »Capri-Sonne«-Delphin ein eigenes Schwimmabzeichen etabliert und »powered« eine »Ballschule«. Und wie bei den Werbeausgaben gilt auch für solche Aktionen: Das Geld dafür kommt von Kindern und deren Eltern, denen Mogelpackungen angedreht wurden; verantwortlich dafür sind Erwachsene, die lieber mit der Vieldeutigkeit von Begriffen jonglieren als verantwortliche Lebensmittelunternehmer zu sein.
Das als selbstloses Engagement inszenierte Auftreten in der Öffentlichkeit ist unter den Herstellern dickmachender Lebensmittel für Kinder inzwischen viel geübte Praxis. Sie versuchen, sich als großzügige Kinder-Förderer zu gerieren, siehe Nestlé und das »Lesefrühstück« in der Schule mit Räuber Hotzenplotz. Besonders perfide wird es, wenn Hersteller wie Ferrero, die vom Verkauf von Zucker- und Fettbomben wie »nutella«, »Milch-Schnitte«, »hanuta«, »duplo« oder »kinder country« leben, sich als Sponsor von Kindersport präsentieren. So packte Ferrero lange Zeit sogenannte »Just Sports-Punkte« zum Sammeln in seine zucker- und fettstrotzenden Produkte. Für die Punkte aus 30 »nutella«-Gläsern in der 400-Gramm-Größe gab es einen Volleyball (60 Punkte); für ein
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