»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
sogenanntes leeres Lebensmittel, das keinerlei Vitamine und Mineralien enthält. Und der Kraftschub, den Zucker entfaltet, ist bald vorbei, weil Zucker vom Körper besonders schnell abgebaut wird. So knurrt dem dicken 12-Jährigen wahrscheinlich schon in der 4. Stunde erneut der Magen, weshalb er jetzt vielleicht zum »Schüttelshake Joghurt Erdbeere« von Bärenmarke greift. Auch in diesem Produkt mit seiner »einzigartigen Rezeptur« versteckt sich ein riesiger Zuckerberg: Der Shake besteht zu 14 Prozent aus Zucker; in der 400-Milliliter-Packung stecken somit 56 Gramm oder umgerechnet 18,5 Stück Würfelzucker.
Um den Kinder-Fruchtquark »Monsterbacke« von Ehrmann macht unser übergewichtiger Sechstklässler allerdings einen Bogen – aber leider nicht, weil in dem Quetsch-Beutel (»So wichtig wie das tägliche Glas Milch«) zweieinhalbmal so viel Zucker enthalten ist wie in Milch, nämlich 11,7 Gramm oder vier Würfelzucker; er mag »Monsterbacke« nicht, weil Mitschüler aus dem Produktnamen und seiner eigenen, gar nicht mehr kindgemäßen Erscheinung schon verletzende Wortspiele kreierten. Die Aussage »so wichtig wie das tägliche Glas Milch« ist ein beliebter, aber übler Trick. Denn Milch allein macht noch kein Lebensmittel gesund oder ausgewogen. Schon gar nicht, wenn das Produkt vor Zucker strotzt. Aber der Milch-Trick suggeriert fast automatisch, die Süßigkeit sei irgendwie frisch, natürlich – und deshalb unbedenklich.
Denkbar, dass unser 12-Jähriger mittags von seiner Mutter für die erledigten Hausaufgaben gerne mit einer »Milch-Schnitte« von Ferrero »belohnt« wird, weil sie sich hat einfangen lassen von Ferreros verharmlosender Werbelyrik: »Ob beim Sport, im Büro oder einfach mal zwischendurch – Milch-Schnitte ist eine beliebte Zwischenmahlzeit, die mit dem Besten aus Eiern, Butter sowie Weizen, Honig und viel frischer Vollmilch gemacht wird.« Und weil die Schnitte angeblich »leicht schmeckt und nicht belastet«, empfiehlt Ferrero, »immer noch eine Schnitte in Reserve zu haben«, wofür es den »praktischen Multipack« mit fünf Stück gibt und die 10er-Box zur Bevorratung im Kühlschrank. Tatsächlich bestraft die Mutter ihren Sohn eher mit der Schnitte, weil sie zu etwa 30 Prozent aus Zucker und 27 Prozent aus Fett besteht und deshalb ungefähr so »empfehlenswert« ist wie eine Schoko-Sahnetorte.
Es geht aber noch schlimmer bei Ferrero: Außen drollige Nashorn-Gesichter aus Schokolade, innen »locker aufgeschäumte Milchcreme aus frischer Vollmilch«, gehört »Kinder Choco Fresh« mit etwa 40 Prozent Zucker und 40 Prozent Fett zu den größten Zucker- und Fettbomben für Kinder überhaupt. Und im »Kinder-Riegel«, der angeblich »das Beste aus der Milch« enthält, steckt auch nur Milchpulver, das der Schokolade einen gesunden Anstrich geben soll. Die geballte Gesundheitspower des Riegels besteht unter anderem aus Butterreinfett, Zucker, Emulgatoren und Aromen. Der Riegel bringt es auf mehr Fett und Kalorien als Vollmilchschokolade und würde ehrlicher beworben mit dem Slogan »Für die Extra-Portion Zucker und Fett« als mit der »Extra-Portion Milch«. Aber die »gesunde« Milch soll Eltern offenbar den Eindruck vermitteln, sie könnten ihren Kleinen »Kinder-Riegel« ohne schlechtes Gewissen auch in größeren Mengen zum Naschen geben. Weil ja, wie die Hersteller gerne begründen, in der Milch auch ganz viel wertvolles Kalzium enthalten ist. Allerdings müsste ein Kind 13 Riegel essen, um seinen Tagesbedarf an Kalzium zu decken. Und hätte damit dann auch 48 Stück Würfelzucker und ein halbes Paket Butter verspeist.
Eigentlich sollte sich Ferrero schämen. Doch Ferrero lässt sich auch noch feiern. Ende 2009 nahm der Marktführer bei Süßwaren (mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz mit Marken wie »Nutella«, »Kinder Überraschung«, »Duplo«, »Mon Chéri«) in Frankfurt den »Goldenen Zuckerhut« entgegen, das ist der »Oscar« der Lebensmittelbranche. Die Jury aus Handel, Industrie und der deutschen »Lebensmittel Zeitung« lobte, das »System Ferrero« sei »außerordentlich konsequent« von der Produktentwicklung bis zur Markenführung »mit gewaltigen Werbeinvestitionen«. Zum »System Ferrero« gehört auch, verharmlosende, irreführende, unehrliche Aussagen über Produkte zu treffen, die Kinder dick und krank machen können. Man wünscht sich, bei der Preisverleihung in Frankfurt wären überraschend 20 übergewichtige Kinder zur Übergabe des
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