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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
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zusammenwirken, zeigte sich im Mai 2009, als bekannt wurde, wie die Lebensmittelindustrie bei der Zusammenstellung neuer Qualitätsstandards für die Essen in Kindertagesstätten unrühmlich mitmischte. In einem internen Rundschreiben, das an die Presse gelangte, berichtete der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft ( BLL ), wie er im Gespräch mit Experten des Bundesverbraucherministeriums und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung »zahlreiche Inhalte richtigstellen beziehungsweise verbessern« konnte. Die Industrie-Lobbyisten hatten dafür gesorgt, dass Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Süßstoffe, Schmelzkäse und Mayonnaise weiter auf dem Speiseplan in Kitas stehen können; in Entwürfen waren die zunächst gestrichen worden.
    Ganz konnte sich der Verband zum Glück nicht durchsetzen. So rückte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu Recht nicht von der Aussage in den Kita-Leitlinien ab, dass »Kinderlebensmittel und Süßigkeiten nicht in die Brotdose gehören«. Klar, dass so ein Satz Nestlé, Kraft & Co. nicht ins Konzept passt, weshalb ihn der Verband als »ideologisch und erzieherisch« kritisierte. In der Ernährungspsychologie, versuchte der BLL zu argumentieren, sei anerkannt, dass Verbote einzelner Produkte kontraproduktiv seien. Welch scheinheilige Argumentation: Die Verbandsherren meinen also, dass ein Verbot von Süßigkeiten in Vesperdosen dessen Konsum nur noch anheizt; wenn es tatsächlich so wäre, hätten sie ja jubeln müssen.
    Doch wenn es ums Geschäft geht, ist jedes noch so hergeholte Argument gerade recht. Und der Markt der Verpflegung von Kindern und Jugendlichen in Kindertagesstätten und Ganztagesschulen ist ein wachsender Markt, den die Lebensmittelindustrie nicht kampflos anderen überlassen will, die auch noch »ideologisch und erzieherisch« veranlagt sind. Immerhin geht es um die Geschmacksprägung von Millionen von Menschen, die wenige Jahre später ihren Einkaufswagen ganz eigenständig füllen. Für die Lebensmittelindustrie ist es deshalb von eminent großer Bedeutung, ob sich Kinder in Kindergärten und Schulen an frisch zubereitete, hochwertige Speisen gewöhnen, oder ob ihre jungen Geschmacksknospen auf jene Ernährung konditioniert werden, die den Produktportfolios der großen Anbieter entspricht. Also auf Lebensmittel mit »Industrie-Geschmack«, die auf frische, regional erzeugte (und eher teure) Rohstoffe weitgehend verzichten und dafür umso bedenkenloser künstliche Aromen und Geschmacksträger wie Salz und Zucker verwenden.
    Der Präsident des Verbands, der sich so vehement wie erfolgreich für den Verbleib der künstlichen Aromen und Geschmacksverstärker in den Kita-Essen einsetzte, hieß übrigens Theo Spettmann und war bis Mitte 2009 viele Jahre hauptberuflich Vorstandssprecher der Südzucker AG .

5 Moderne Märchen:
Unternehmerische »Verantwortung«
für die Rettung der Welt
    Das lässt aufhorchen: Nach eigenen Angaben ist sie nicht weniger als »Europas größtes Netzwerk zur Vorbeugung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen«. Und tatsächlich versammelt die »Plattform Ernährung und Bewegung e.V.«, kurz peb, all diejenigen, die wichtig sind, um den Kampf gegen das Übergewicht von Kindern und Jugendlichen aufzunehmen: Der Plattform gehören Vertreter des Bundesernährungsministeriums und von Landesministerien an, von Gewerkschaften und Elternräten, von Verbraucher- und Sportverbänden, von Reha-Kliniken, Oecotrophologen, Hochschulen und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung; außerdem sitzen im 15-köpfigen Expertenbeirat des Vereins Sportwissenschaftler, Ernährungspsychologen, Kinderheilkundler, Erziehungswissenschaftler und Präventionsexperten. Doch warum muss bei so viel geballtem Sachverstand auch noch die Ernährungsindustrie mit am Tisch sitzen? Gar so als wäre ohne ihre Meinung nicht zu entscheiden, welche Lebensmittel und in welchen Mengen Kinder und Jugendliche idealerweise essen sollten, um nicht dick zu werden. Doch hier liegt der Hase im Pfeffer: Zu den Gründungsmitgliedern von peb gehört der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. ( BLL ), das ist der einflussreiche Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, dem wir schon mehrfach begegnet sind. Als einfache Mitglieder und teilweise im Vorstand vertreten sind außerdem der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, Coca-Cola, der französische Lebensmittelkonzern Danone, der Verband der Aromenindustrie, Pizza- und

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