»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
wohlweislich zurück, weil den Verbrauchern sonst plötzlich klarwürde, dass auch in ihren Bio-Frühstücksflocken viel zu viel Zucker versteckt ist und auch Bio-Müsli-Riegel wahre Fett- und Zuckerbomben sind. So verhalten sich viele Bio-Produzenten keinen Deut besser als Hersteller konventioneller Lebensmittel und können dann umso ungenierter Produkte auf den Markt bringen, die meilenweit entfernt sind von der ursprünglichen Idee der Bio-Lebensmittel. Zu dieser Idee hatte nie gehört, dem Verbraucher auch Energy-Drinks, Kirschtorten im Karton und Joghurts mit »Schokoballs« anzubieten. Zum Bio-Anspruch hatte auch nie gehört, das konventionelle Lebensmittelsortiment in all seinen Verästelungen mit Bio-Varianten zu imitieren. Es sei denn, bei Bio geht es am Ende doch nur um einen neuen Slogan, einen neuen Schlüsselreiz, ein verkaufsförderndes Logo, so wie zu Olympia- und Fußball- WM -Events, wenn für die gänzlich unnachhaltige Zeitspanne eines Sommers plötzlich Tausende von Firmen ihre Liebe zum Sport entdecken und »sportliche« Produkte auf den Markt werfen.
Kein Wunder – auch die Bio-Siegel schaffen hier kaum Klarheit, im Gegenteil. Selbst nach zehn Jahren Bio-Boom ist vielen Verbrauchern immer noch nicht bewusst, dass das sechseckige grüne EU -Bio-Siegel sowohl für die Rohstoffproduktion aber auch für die Herstellung verarbeiteter Lebensmittel nur den niedrigsten Bio-Standard repräsentiert. So erklärt sich, warum die überwältigende Mehrheit aller Bio-Produkte in den Läden das amtliche sechseckige Bio-Siegel tragen, aber nur ein kleiner Teil die Siegel der Anbauverbände Demeter und Bioland, die teilweise wesentlich höhere Qualitätsmaßstäbe anlegen. Zwar verbietet auch der von der EU definierte Standard beispielsweise den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und gentechnisch veränderter Organismen; er verlangt außerdem eine artgerechte Tierhaltung. Doch die EU -Verordnung und damit sehr viele mit dem Bio-Siegel gekennzeichnete Lebensmittel öffnen – eben weil sie den niedrigsten Standard für Bio repräsentieren – vor allem bei verarbeiteten Produkten Tür und Tor für Irreführung und Täuschung durch die Hersteller.
Es fängt damit an, dass sich der Konsument in einem Dschungel an Bio-Siegeln zurechtfinden muss. Da ist einmal das Mitte 2010 eingeführte EU -Logo, ein hellgrünes Rechteck mit weißen Sternen, die die Silhouette eines Blattes nachzeichnen; parallel gibt es weiterhin nationale Logos wie das hierzulande bekannteste deutsche Bio-Sechseck, aber auch regionale oder private Logos der großen Anbauverbände wie Demeter oder Bioland; und schließlich wird eine Vielzahl nichtssagender konventioneller Gütesiegel verwendet, die sich die Hersteller teilweise selbst verleihen und die eine besondere Qualität häufig nur suggerieren mit Begriffen wie »Qualitätsgarantie«, »aus kontrolliertem Anbau« oder » QS – geprüfte Qualitätssicherung«. Dem Verbraucher ist es bei diesem Durcheinander kaum noch möglich, verschiedene Qualitätsstufen von Bio-Lebensmitteln zu unterscheiden. Wesentliche Qualitätskriterien wie regionale Herkunft, verwendete Rassen oder Sorten, besondere Herstellungsverfahren sind nicht für jeden unmittelbar zu erkennen.
In der Euphorie über den Zuspruch für ökologisch erzeugte Nahrung wird auch kaum zur Kenntnis genommen, dass nach EU -Standard die landwirtschaftlichen Zutaten für verarbeitete Bio-Kost nur zu 95 Gewichtsprozent aus biologischem Anbau stammen müssen. Warum eigentlich nicht 100 Prozent? Weil dann manche Produkte, die jetzt noch als Bio durchgehen, in Wahrheit jedoch Mogelpackungen sind, nicht mehr als Bio-Ware auf den Markt kommen könnten. An den Interessen der Bio-Konsumenten geht auch völlig vorbei, dass in Bio-Lebensmitteln immer noch knapp 50 Zusatzstoffe erlaubt sind. Das sind zwar viel weniger als bei konventionellen Lebensmitteln, in denen etwa 320 Zusatzstoffe zum Einsatz kommen dürfen. Unter den für Bioprodukte zugelassenen Zusätzen sind aber auch so problematische Substanzen wie das umstrittene Verdickungsmittel Carrageen (E 407), das häufig »zur Vermeidung von Aufrahmung« in Milchprodukten zugesetzt wird. Die physiologische Wirkung der Substanz, die aus Rotalgen gewonnen wird, ist umstritten. In Tierversuchen führt sie zu Geschwüren und Veränderungen im Immunsystem. Auch der Einsatz des umstrittenen Nitritpökelsalzes ist bei Bio-Fleischprodukten erlaubt, obwohl sich aus Nitrit im menschlichen
Weitere Kostenlose Bücher