»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
»Handwerkern« in den Bäckereien nur noch mit Wasser und Hefe angerührt werden müssen. Sie tragen Namen wie »Öko-Vitalkornkonzentrat D30« oder »Biogut-Kornpower«. Ein Hersteller hebt hervor, der so zusammengerührte Teig müsse nur noch neun Minuten geknetet werden und könne nach zweimal zehn Minuten Ruhephase in den Ofen – 18 Minuten später sind »herzhafte und lockere Kornstangen, Kornbrötchen und Kornlaible« entstanden, die dem Kunden als Bio-Ware verkauft werden. Kein Wunder, dass Biobackmischungen von den Herstellern gar nicht als etwas Besonderes angeboten werden, das zusätzliches Know-how erfordert, Schulungen oder gar ein Umdenken, sondern eine gewöhnliche Ergänzung zum normalen Sortiment darstellen. Banalisiertes, standardisiertes Industrie-Bio. Aber immer noch das Bio, das der Verbraucher meint zu kaufen?
Man sitzt auch einer Illusion auf, wenn man glaubt, wenigstens Bio-Bienenstich oder Öko-Käsekuchen wären handwerklich hergestellt. Die Bonner Firma Kessko bietet ein Bio-Florentiner-Mix für Florentiner und Bienenstich an, außerdem ein Bio-Käsekuchen-Konzentrat – alles zusammengemixt im Einklang mit der EU -Öko-Verordnung und auch noch für den unfähigsten Bäcker geeignet. In einem Verkaufsprospekt heißt es: »Alle Zutaten im All-in-Verfahren mit dem Schneebesen im langsamen Gang der Maschine zwei Minuten glatt rühren. Zum Schluss die flüssige, heiße Butter unterlaufen lassen.« Nach siebzig Minuten Backzeit braucht es nur noch Mandeln zur Verzierung – fertig ist der Bienenstich. Auf der BioFach 2010 präsentiert Kessko sein neues »Highlight« mit Namen Bio-Sandy: »Eine Bio Sand- und Rührmassen-Vormischung, die sich durch einfaches Handling auszeichnet. Eine geniale Bio-Spezialität, ideal geeignet für leckere Bio-Obst-Blechkuchen, saftige Bio-Sandkuchen und vieles mehr.« »Kessko Bio-Produkte liegen voll im Trend«, behauptet das Unternehmen. Das mag so sein, bedauerlicherweise. Aber stehen die Konzentrate noch für das, was mit Bio einmal gemeint war?
So ökologisch einwandfrei die Rohware und der Geschmack im Einzelfall sogar sein mögen, der Kunde hat keine Ahnung davon, dass sein Biobäcker in Wahrheit Kartons mit tiefgefrorenen Backwaren auspackt und nur noch aufwärmt, dass er mit Hilfe von Back- und Fertigmischungen und Kuchen-Konzentraten standardisiertes Tütenbrot und standardisierten Käsekuchen in die Verkaufstheke legt. Hersteller und Verkäufer dürfen ihre Kunden nicht derart hinters Licht führen, ihren berechtigten Erwartungen so sehr zuwiderhandeln. Gerade Hersteller von Bio-Lebensmitteln dürfen sich nicht mit dem zynischen Argument aus der Affäre stehlen, der Verbraucher könne ja wohl kaum so naiv sein, wer sehen wolle, der könne doch sehen.
Die Bringschuld für transparente, unzweideutige Informationen liegt zweifelsfrei bei den Herstellern. Oder sollen etwa die Verbraucher ihren Bio-Bäcker beim morgendlichen Brötchen-Einkauf über Backmischungen und Zusatzstoffe ausquetschen? Oder sich am Feierabend durch EU -Verordnungen quälen? Man erinnert sich an den Fall der Hofpfisterei in München, die lange Zeit die Wahrheit ein bisschen grüner malte als sie war. Jahrelang hatte Deutschlands größte Ökobäckerei auf Verpackungstüten, in Prospekten und im Internet mit dem Slogan »bewusster Verzicht auf Zusätze« für ihre Produkte geworben. Tatsächlich fügte der Öko-Bäcker seinen Lebensmitteln, darunter sind auch Wurstwaren, mindestens 14 Zusatzstoffe bei: den Laugenbrezeln Aroma, den Krapfen Zitronensäure, den Rosinenschnecken ein aus Algen gewonnenes Verdickungsmittel; allein in der Mohnschnecke fanden sich fünf kennzeichnungspflichtige Zusatzstoffe und zwei Aromen. Zwar ist der Einsatz dieser Zusatzstoffe auch bei ökologischen Nahrungsmitteln nicht illegal, was schon beklagenswert genug ist. Doch die Behauptung, man »verzichte bewusst auf Zusätze«, war eine astreine Verbrauchertäuschung. Und ein Schaden für die ganze Öko-Branche obendrein, weil wieder ein Stück Vertrauen verspielt wurde. Und das auch noch von einem Vorzeigeunternehmen der Branche mit einem Umsatz von mehr als 70 Millionen Euro, fast 160 Filialen in Deutschland und überregionalem Brotversand. Immerhin: Die Hofpfisterei korrigierte den Fehler und verzichtete auf die irreführende Werbung. Aber dass selbst einem Urgestein der Branche und seriösen Bio-Unternehmer die Sensibilität dafür abhandenkam, wie wichtig Kundenrechte sind, war alarmierend. Denn
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