»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
bedauerlicherweise sehr viele Verbraucher, die auch an verarbeitete Bio-Produkte ganz andere Erwartungen knüpfen als das, was ihnen tatsächlich geboten wird. Die Bio-Branche steht am Scheideweg. In den zurückliegenden Jahren hat sie bewiesen, dass es kaum noch ein konventionelles Lebensmittel gibt, das sich nicht auch als Bio-Produkt in die Regale und Tiefkühltruhen bringen ließe; und sie hat gezeigt, dass ihre Waren auch preislich so konkurrenzfähig sind, dass sie heute ganz selbstverständlich zum Sortiment vieler Discounter gehören. Doch dabei haben sich die Bio-Produzenten mehr den konventionellen Strukturen angepasst als dass es ihnen umgekehrt gelungen wäre, die konventionelle Lebensmittelwirtschaft zu ökologisieren. Vor allem im Segment der hochgradig verarbeiteten Lebensmittel hat Bio mit der ursprünglichen Vorstellung von Bio oft nur noch wenig gemein. Suggestiv wirbt die Branche mit handwerklicher, traditioneller, ökologischer Herstellungsweise, obwohl das auch bei verarbeiteten Bio-Lebensmitteln oft nicht mehr der Fall ist. Die Bio-Branche hat, wenn man so will, ihre Unschuld verloren, ein gutes Stück jedenfalls. Schuld daran tragen in erster Linie die großen Nahrungsmittelkonzerne – ob Hersteller oder Händler –, die sich die Chance nicht entgehen ließen, in einer der letzten Wachstumsnischen des Lebensmittelmarkts mitzumischen, und zwar am liebsten nach den hergebrachten fragwürdigen Spielregeln des Markts für konventionelle Lebensmittel; für sie ist Bio einfach nur Big Business, ein Trend, den es auszuschlachten gilt und der sich dank einer löchrigen EU -Bio-Verordnung auch leicht ausschlachten lässt. So gesehen ist es eigentlich überraschend, dass Danone von seinem Kassenschlager »Actimel« noch keine Bio-Variante auf den Markt gebracht hat – »Actimel« wäre dann ein extrem zuckerhaltiger Trinkjoghurt mit fragwürdigem Gesundheitsversprechen (»Stärkt die Abwehrkräfte«), aber aus Bio-Milch hergestellt. Doch auch die rein ökologischen Produzenten, die einmal als natürliche Gegenspieler der etablierten Firmen angetreten waren, folgen viel zu oft der Strategie ihrer konventionellen Kontrahenten. So kommt es, dass auch Produkte mit dem Bio-Siegel heute mit denselben unlauteren, verbrauchertäuschenden Methoden vermarktet werden wie viele 08/15-Lebensmittel. Der Verbraucher läuft Gefahr, Opfer einer großen Bio-Illusion zu werden.
Auf der BioFach in Nürnberg ist das jedes Jahr von Neuem zu beobachten, und der sogenannte Neuheitenstand ist eine wahre Fundgrube dafür. Sämtliche Produkte, die dort auf langen Stellflächen präsentiert werden, tragen das sechseckige grüne Bio-Siegel oder ein anderes, anerkanntes Bio-Zeichen, aber bei vielen von ihnen drängt sich die Frage auf, ob sie noch für das stehen, was mit Bio einmal beabsichtigt war. Der Wiener Getränkeproduzent KremEzzat stellt seinen biologischen Energydrink »My E.« vor, der mit den Sprüchen »Experience the Power of Nature« und »Extra Power with Ginseng« angepriesen wird; »My E.« ist zwar angeblich zu »100 % natural« und gibt eine »Austria Bio Garantie« ab, mit seiner silbernen Dosenhülle erweckt das Getränk jedoch den Eindruck, als wolle es am liebsten mit dem Energy Drink von Red Bull verwechselt werden – und dessen Zutaten werden ausschließlich synthetisch hergestellt. Die Firma Brio SpA, hinter der Biobauern aus Verona stehen, hat gegrillte Zucchini und Paprika ausgelegt, dazu dampfgegarten Brokkoli, Fenchel und Kartoffelstücke; die Convenience-Produkte sind luftdicht verschweißt und werden in der Mikrowelle erwärmt. Ein Unternehmen aus Speyer stellt den »weltweit ersten Absinth aus 100 % biologischer Herstellung« vor, ein Unternehmen aus Freiburg präsentiert »hochwertige Tiefkühlkost« in Bio-Qualität für den »schnellen und gesunden Snack für zwischendurch«: für Kinder die »Mr. Veggie Knuspersticks« und »Mr. Veggie Nuggets«, für Erwachsene Spinat-Käse Medaillons im Amaranth-Purpurweizenmantel und Gemüse-Knusperecken im Amaranthmantel. Neuform international will mit einem »Muesli to go« überzeugen, ein anderer Produzent mit Bio-Eierlikör; die Weißenhorner Milch Manufaktur trommelt für ihren »Schwarzwälder Kirsch Kuchengenuss« im Karton, inklusive Bioland-Siegel, eine andere Firma zeigt ihre »energiegeladenen Bio-Aronia-Fruchtbällchen für unterwegs im praktischen 3er-Set«, auch wenn die Aroniabeeren nur 6,7 Prozent an den Bällchen ausmachen. Die
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