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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
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es zeigte, dass der Wettbewerb – wenn die Regeln so sind – dazu führt, dass Biobetriebe genauso zum Mogeln verführt werden wie konventionelle Hersteller.
    Unterm Strich gesehen handelt es sich – wie so oft in der Lebensmittelwelt – nicht um einen bedauerlichen Einzelfall. Auch auf der BioFach sind entsprechende Befunde einzusammeln. Zum Beispiel bei dennree, dem Bio-Handelshaus aus dem oberfränkischen Töpen. Auch dessen Gründer und Inhaber, Thomas Greim, gilt als Urgestein und Pionier der Öko-Bewegung, der sein Unternehmen mit 22 Jahren auf einem Bauernhof bei München gründete. Mit vier Bio-Milchprodukten startete er 1974. 35 Jahre später beliefert das Handelshaus mehr als 1500 Naturkostfachgeschäfte in Deutschland, Österreich und Luxemburg mit Bio-Lebensmitteln und Naturkosmetik. Trotz Krise wuchs die 1000-Mitarbeiter-Firma 2009 um 10 Prozent auf 368 Millionen Euro, die Tochtergesellschaft denn’s-Biomarkt sogar um fast 35 Prozent. »Bio für jeden Tag« und »dennree macht Bio für die Zukunft«, lauten die Slogans. Aber das Bio, das dennree auf der BioFach vorstellt, will man seinen Kindern keineswegs »jeden Tag« geben, und die »Zukunft« von Bio repräsentieren diese Lebensmittel hoffentlich auch nicht: Es sind neue Frühstücksflocken für Kinder, die »Schokobären«, »Honigkugeln«, »Schokokugeln« und »Haferkissen« heißen und »Abwechslung auf den Frühstückstisch« bringen sollen. Dabei werden sie wie alle anderen Frühstücksflocken auf dieser Welt präsentiert: Vorne drauf ist ein bunter Comic-Bär, der mal mit Bällen jongliert, mal im Honigtopf nascht, hinten ist viel Platz für ein Labyrinth-Spiel. Nur eine Angabe über den Zuckergehalt findet man nirgends. Der erste dennree-Mann dreht die Packung mit fragendem Blick, bis er sagt, das Produkt sei so neu, er kenne sich noch nicht aus; die Zweite, die man fragt, verweist an einen Dritten, der empfiehlt, man solle in der Zentrale anrufen. Dort erfährt man dann – weil die Internetseite von dennree auch keinen Zuckergehalt hergibt – dass etwa die »Schokobären« oder »Honigkugeln« »Spaßprodukte« für Kinder seien, »zwar Bio, aber nicht für die tägliche Ernährung gedacht, sondern eher einmal für zwischendurch, wenn man Lust auf was Süßes hat.« Süß sind die Flocken tatsächlich und das keineswegs weniger als konventionelle Produkte: Die dennree »Schokobären« enthalten 36 Gramm Zucker pro 100 Gramm Flocken, die »Honigkugeln« immer noch 27 Gramm pro 100 Gramm Inhalt, wie man dann auf Nachfrage per E-Mail erfährt.
    Alles ist Bio in den dennree-Flocken – der Honig, das Getreide, die Schokolade. Aber was hilft’s? Die Flocken in Bärchen- oder Kugelform sind hochgradig verarbeitetes Designer-Food, ein sogenanntes Extrudat. Extrudate entstehen in einem Extruder, indem eine »Grundmasse« – und sei sie biologisch noch so korrekt – unter extremem Druck und bei Temperaturen über 200° C durch ein Rohr gepresst wird; am Ende des Rohrs spuckt der Extruder die heiße, unter Druck stehende Masse aus, die schlagartige Entspannung durch den Druckverlust bewirkt, dass der Wasserdampf verpufft und sich dadurch die Masse aufbläht, mal als Bär, mal als Kugel. So entsteht vielleicht ein »unwiderstehliches Naschvergnügen für Groß und Klein«, weil vor allem Kinder gerne süße Frühstücksflocken in Bärchenform essen, aber kein Bio-Produkt, das diesen Namen ehrlich verdient.
    Im »dennree-Magazin« schreibt Firmengründer Thomas Greim, die »Wertigkeit und Akzeptanz« seiner Branche sei »trotz vieler Me-too-Anstrengungen konventioneller Kollegen gewachsen«. Übersetzt heißt das: Viele Nicht-Bio-Unternehmen legten, als sich der Bio-Trend abzeichnete, einfach den Rezept-Schalter um und produzierten mit relativ wenig Aufwand Bio-Variationen ihrer konventionellen Lebensmittel. Ob das der Wertigkeit und Akzeptanz von Bio nicht geschadet hat, muss bezweifelt werden. Ganz sicher aber ist, dass Bio-Firmen der ersten Generation wie dennree der Bio-Branche keinen Dienst erweisen, wenn sie ihre Produkte in einem umgekehrten Me-Too-Manöver den Produkten ihrer konventionellen Konkurrenten inhaltlich anpassen und dabei auch noch das Verpackungsdesign und den Werbesprech täuschend imitieren. Gerade der Bio-Konsument mit Kindern darf von seinem Bio-Lieferanten Besseres erwarten als hochgradig verarbeitete, überzuckerte Frühstücksflocken, die die Geschmacksprägung der Kinder auf Jahre ganz unbiohaft

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