»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
versaut.
Ein solches Me-Too-Produkt, von denen der dennree-Chef mit leicht kritischem Unterton spricht, war auch die Biobrause »Beo« von Carlsberg. Als die viertgrößte Brauereigruppe der Welt das Getränk Mitte 2008 auf den Markt brachte, hatte der Vorreiter »Bionade« schon jahrelang den Markt erst kreiert und einen wahren Boom der Biolimonaden ausgelöst. Unter Wettbewerbsbedingungen ist das ein normaler Vorgang: Der Innovator bereitet das Segment vor, die Nachahmer – und es kam nicht nur Carlsberg – setzen den Pionier unter Druck. Doch dreister als Carlsberg konnte man kaum auf den Zug springen und dem Publikum so eine neue Bio-Illusion bescheren. Carlsberg bewirbt die Sorte »beo Heimat Apfel-Birne« als »Bio Erfrischung« aus »rein natürlichen Zutaten« und »in ausgezeichneter Bio-Qualität«. Aber »bio« sind gerade mal 5,5 Prozent des Getränks – nämlich der Zucker und der Gerstenmalzextrakt, die wohl wirklich aus biologischem Anbau stammen. Der große Rest sind Wasser, Kohlensäure, Zitronensäure (E 330), Antioxidationsmittel, Ascorbinsäure (E 300) und nicht näher definiertes »natürliches Aroma«. »Natürliche« Aromen müssen laut EU -Verordnung nicht aus biologischem Anbau stammen und haben mit echten Früchten ohnehin meist nichts zu tun: Die Ausgangsstoffe müssen lediglich pflanzlichen oder tierischen Ursprungs sein, dabei kann es sich zum Beispiel auch um Holzabfälle aus der Papierproduktion handeln. Mit Hilfe von Mikroorganismen wie Hefepilzen oder Bakterien werden diese Rohstoffe dann in Substanzen umgewandelt, die nach Apfel, Erdbeeren oder auch Vanille schmecken. Von Äpfeln und Birnen steht nichts auf der Zutatenliste von »beo Heimat Apfel-Birne«, weil es weder biologisch noch konventionell angebaute Äpfel oder Birnen enthält. Für den Fruchtgeschmack sorgen die nicht näher definierten Aromen und Zusatzstoffe – der Geschmack kommt also aus dem Labor.
Wir halten fest: Aromen aus Abfällen anstatt echter Früchte ermöglichen es, einem Produkt das amtliche und so verkaufsfördernde Bio-Siegel nach EU -Verordnung zu verleihen. Das ist minimaler Bio-Einsatz für den maximalen Marketingeffekt. Und alles ist ganz legal – aber deswegen noch lange nicht korrekt. Bio-Etikettenschwindel eben, denn ein bisschen Bio-Zucker und Bio-Malz machen aus einer Brause noch kein »nachhaltiges« Getränk. So billig, wie »Beo« in den Bio-Markt drückt, zerstört es diesen Markt auf lange Sicht. Wer will dem Bio-Versprechen noch glauben, wenn die Bio-Münze so inflationär gehandelt wird?
Bei etwa 56 000 Lebensmitteln mit Bio-Siegel dürfte es solche Verbrauchertäuschung hundert-, wenn nicht tausendfach geben. Eine traurige Bilanz für eine Branche, die einmal angetreten war, vieles anders und vor allem vieles besser zu machen. Ganz selten, dass ein Hersteller mal von seinem Bio-Versprechen wieder abrückt wie Nestlé mit seiner Tütensuppe »Maggi Natur Pur Bio Frühlingsgemüsesuppe«. Auf der Verpackung hatte »ohne Zusatzstoff Geschmacksverstärker« gestanden, was jedoch keineswegs bedeutet, dass eine Suppe keine Geschmacksverstärker enthält. Das Wundermittel, das zwar ein Geschmacksverstärker ist, aber weder in konventionell als auch in biologisch hergestellten Lebensmitteln als solcher gekennzeichnet werden muss, heißt Hefeextrakt. Der hat mit Hefe nicht mehr viel zu tun, gilt aber laut Gesetz nicht als Geschmacksverstärker, sondern als natürliche Zutat und enthält die geschmacksverstärkenden Substanzen Glutamat, Inosinat und Guanylat. So schmuggelte Nestlé den Geschmacksverstärker unter anderem Namen in die Tütensuppe. Nach Verbraucherprotesten gegen diesen (legalen) Schwindel mit dem Bio-Siegel hat Nestlé die Produktion der Bio-Tütensuppen eingestellt. Gut so.
7 Die Kapitulation der Kontrolleure
Früher war er Fleischermeister. Jetzt arbeitet er als Lebensmittelkontrolleur. Seinen Namen sollen wir nicht erfahren, auch nicht das Landratsamt, in dem er arbeitet, und schon gar nicht die Namen der Unternehmen, die er – im Namen von uns Verbrauchern – kontrolliert. Schon dieses Beharren auf Anonymität verrät, wessen Interessen mehr wiegen. Dabei hat der Kontrolleur keineswegs von neuen, großen Lebensmittelskandalen à la BSE oder Gammelfleisch zu berichten, sondern »nur« von der alltäglichen, massenhaften legalen und illegalen Verbrauchertäuschung.
Wenn unser anonymer Lebensmittelkontrolleur morgens in seinen aschgrauen Mittelklasse-Dienstwagen
Weitere Kostenlose Bücher