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Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
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viel verschwendet wird, und er versucht, dem Wegwerfen entgegenzusteuern.«
    Der Leiter des Supermarkts, Stefano Cavagna, bestätigt das: »Wir freuen uns natürlich, dass wir bedürftigen Menschen helfen können. Man muss aber auch ganz klar sagen: Wir sparen viel Geld.« Aber weniger Abfälle, ist das nicht schlecht für die Hilfsorganisation? Andrea Segrè lacht: »Es gibt so viele Lebensmittel auf dem Müll, da bleibt noch lange genug für uns übrig. Leider.«

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    Die Lebensmittelretter von Amerika
    Das Konzept »food rescue« – direkt übersetzt etwa: Lebensmittel retten – wurde in den USA erfunden. In New York wurde 1982 die Organisation »City Harvest« gegründet, um die Überproduktion an Bedürftige zu verteilen. Davon gibt es in den USA mehr als in jedem anderen Industrieland: Zehn Prozent der Amerikaner leiden unter Nahrungsmangel.
    Die USA sind das Land der Widersprüche: Gleichzeitig leidet ein Viertel der Bevölkerung unter Adipositas, also Fettleibigkeit. Die Widersprüche finden sich aber auch an anderer Stelle: Wahrscheinlich werden nirgendwo sonst auf der Welt mehr Lebensmittel verschwendet, aber gleichzeitig stammen auch viele Lösungsmodelle aus den USA .
    Das Problem der »Lebensmittelretter« von City Harvest war zum Beispiel, dass sie immer Angst vor einer Schadensersatzklage haben mussten. Es könnte sich ja einer den Magen verrenken, behaupten, es liege an den verteilten Spenden; in den USA sind die Schadensersatzsummen bekanntermaßen schnell astronomisch. Deshalb erließ die Regierung in Washington 1996 den »Good Samaritan Food Donation Act«, der Schadensersatzansprüche ausschließt, wenn die Hilfsorganisation die Lebensmittel nach bestem Wissen und Gewissen überprüft.
    Andere Hilfsorganisationen versuchen die Tradition der Nachlese wiederzubeleben. Die »gleaners«, wie sie auf Englisch heißen, hatten über Jahrhunderte die Erntereste gesammelt. Heute ist es die Society of St. Andrew, die Bedürftigen in ganz Amerika zeigt, wie sie umsonst an frische Lebensmittel kommen.
    Das ganze Ausmaß der Verschwendung hat als erster Timothy Jones von der University of Arizona in Tucson aufgedeckt. Als Anthropologe war er zunächst eher kulturell interessiert, und sah die Müllkippen als einen Ort für Ausgrabungen, um die Artefakte der modernen Kultur zu dokumentieren. Doch seine Kenntnisse in Chemie, Ökonomie und Soziologie brachten ihn bald dazu, das Müllthema ganzheitlich zu betrachten.
    Mit seinem Lederhut und dem wuchernden Vollbart sieht er ein wenig aus wie Indiana Jones, nur die große Nickelbrille stört den Eindruck. Und seine sehr präzise Ausdrucksweise – man spürt den Vollblutwissenschaftler. Tucson, unweit der Grenze von Mexiko, liegt mitten in der Wüste, jetzt im Juni ist es entsprechend heiß. Als wir am späten Vormittag die Müllkippe erreichen, zeigt das Thermometer bereits 45 Grad Celsius.
    Dr. Jones lässt sich von der drückenden Hitze nicht beirren und führt uns an die riesige Kuhle, in der ein Müll-Lkw nach dem anderen seine Ladung abkippt: »Wir haben diese Müllwagen oben am Eingang abgefangen und in einen Hangar umgeleitet. Dort sortierten wir den Müll über mehrere Jahre, bis wir die Zusammensetzung kannten.«
    Das Ergebnis: Haushaltsmüll in den USA besteht zu 14 Prozent aus essbaren Lebensmitteln. Timothy Jones schätzt den Gesamtwert auf 43 Milliarden Dollar pro Jahr, auf eine Durchschnittsfamilie umgerechnet sind das 590 Dollar. »Diese Zahlen überprüften wir in 60 Müllkippen in ganz Nordamerika: Kanada, Florida, Seattle und hier in Arizona.«
    Scherzhaft nennt er seine Forschung »garbaeology« – Müllarchäologie. Die Methoden erinnern aber eher an die Ölförderung: »Wir gruben uns quer durch die Müllschichten, mit einem gigantischen Bohrer, Durchmesser: 2,5 Meter. Dann untersuchten wir die Bohrkerne aus der Müllkippe.«
    Bald wird dem Forscher klar, dass dieser Müll ganz beträchtlich zur Klimaerwärmung beiträgt, nicht nur weil die Lebensmittel mit hohem Energieaufwand produziert wurden: »Unter der Oberfläche einer Kippe verrottet der Müll nur sehr langsam. Man muss nicht tief bohren, und schon stößt man auf Methan. Das Gas wird von anaeroben Bakterien produziert, die den Müll zersetzen. Weltweit produziert der Lebensmittelmüll rund 15 Prozent aller Methan-Emissionen.«
    »Das ist verheerend«, bestätigt auch Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace: »Methan ist ein Klimakiller, in der Atmosphäre wirkt das

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