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Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
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Eigentlich sollen Kühlschranke Lebensmittel konservieren. Stattdessen sind sie Vorzimmer der Abfalleimer. Wir sollten weniger einkaufen und alles aufessen.« Carlo Petrinis bildreiche Sprache begeistert das Publikum, immer wieder unterbricht es seine Rede mit minutenlangem Applaus.
    Auch mich begeistert er, weil er den Kern der Sache trifft: Wir vergeuden, weil die Werbung unsere Sinne verwirrt hat und wir gut und schlecht nicht mehr unterscheiden können. »Viel zu oft kaufen wir Unnötiges. Wir sollten wieder lernen, das Richtige zu kaufen, und das direkt vom Bauern. So können wir unseren guten Geschmack schulen. Den Einkaufswagen mit unnützem Zeug zu füllen, um es danach wegzuwerfen, zeugt von schlechtem Geschmack. Wir sollten uns mäßigen. Man kann auch genießen, wenn man genügsam ist.«
    Das Credo von Carlo Petrini ist nicht Askese – Slow Food propagiert eher das Gegenteil: die Freude am Genuss. Das ist ein Schlüssel zu seinem Erfolg, und ich verstehe warum. Ich bin in den 1980er-Jahren mit der Umweltbewegung groß geworden, in der Verzicht gepredigt wurde, aber ich muss zugeben, dass ich dadurch meinen Lebensstil kaum geändert habe. Der Verstand wusste: Weniger ist mehr. Aber der Genussmensch in mir wollte eben auch Spaß haben.
    Je älter ich werde, desto klarer wird mir, dass wir Menschen unsere Ernährungsgewohnheiten weniger durch Vernunftentscheidungen ändern als vielmehr durch Gefühle, am besten positive. Die erfolgreichste Slow-Food-Maxime ist deshalb: Regionales Essen ist besser und gesünder. Mehr Qualität aus regionalem Anbau kostet allerdings oft auch mehr Geld – auch in Italien gibt es breite Bevölkerungsschichten, die sich das nicht leisten können.
    Die hat Mitorganisator Andrea Segrè im Auge: Mit seinem »Last Minute Market« hat er Hunderte von Supermärkten in ganz Italien dazu gebracht, Lebensmittel zu retten, die für die Tonne bestimmt waren: »Es wird immer zu viel produziert. Die Marktwirtschaft kann das nicht regeln. Der Überschuss ist als Defekt im System fest eingebaut«, analysiert der Agrarwissenschaftler. »Hier wollen wir mit unseren Last-Minute-Märkten eingreifen.« Anders als die deutschen Tafeln verzichten die Italiener aber auf eine eigene Logistik, sondern bringen die lokalen Partner dazu, ihre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
    »Unsere Partner sammeln den Überschuss, die unverkaufte Ware, und damit wir für die Verteilung nicht einen ganzen Lastwagenpark anschaffen müssen, werden die Produkte auch nur dort im selben Ort verteilt. Wir brauchen nicht zu tanken und haben auch keine Kühlräume – so vermeiden wir weitere Kosten für die Umwelt. Wir müssen nur organisieren«, so Prof. Andrea Segrè.
    »Dafür braucht es eine ziemlich ausgeklügelte Logistik, die alle Teilnehmer zusammenbringt – die Spender, also Hersteller und Supermärkte auf der einen Seite, und die Bedürftigen, die von bestehenden Hilfsorganisationen wie Kommunen oder der Caritas versorgt werden.« Die Last-Minute-Märkte sammeln Reste in allen möglichen Bereichen: vom Feld bis zum Teller. Das beginnt bei den Bauern (»last minute harvest«) und geht bis zu Restaurants.
    Besonders schnell muss es bei den fertig zubereiteten Gerichten aus den Kliniken und Schulkantinen gehen. Wenn dort das Mittagessen aufgetischt wird, wartet draußen schon ein Kurier darauf, die übrig gebliebenen Portionen an soziale Einrichtungen in der Nachbarschaft weiterzuverteilen.
    In der Nähe seiner Universität in Bologna konnte der Professor einen großen Supermarkt zur Mitarbeit bewegen. Der Erfolg ist beträchtlich: Die Müllmenge verringerte sich von 160 Tonnen Lebensmitteln auf 90 Tonnen pro Jahr. Die Einsparung beträgt also 70 Tonnen, »das sind acht Müllfahrzeuge weniger, die nicht zur Kippe fahren müssen, von nur einem Supermarkt. Damit können wir jeden Tag 300 Personen ernähren, Frühstück, Mittagessen und Abendessen.«
    Einer der Abnehmer ist eine Einrichtung für Ex-Junkies, die gerade mal 800 Meter entfernt liegt. Ein Mitarbeiter der Einrichtung holt dreimal pro Woche mehrere Kartons voller Lebensmittel ab. Meistens kommt er zu Fuß, mit einem Bollerwagen im Schlepptau.
    Das ist für alle Seiten ein Gewinn – auch für den Supermarkt: »Sie haben einen Imagegewinn, gleichzeitig aber nicht weniger verkauft.« Und noch etwas: »Der Lebensmittelmüll wurde von der Unternehmensführung bisher gar nicht wahrgenommen. Heute wird der Müll erfasst. Der Vorstand weiß jetzt, wo besonders

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