Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
Aufarbeitung der Hintergründe und Fakten zur weltweiten Lebensmittelverschwendung sowie mögliche Lösungsansätze präsentiert der Journalist und Buchautor Stefan Kreutzberger.
Sie können beide Texte getrennt lesen oder auch als sich ergänzendes Gesamtwerk aufnehmen. Vereinzelte Wiederholungen sind deshalb unvermeidbar und gewollt. Das Projekt begann mit der Idee zum Dokumentarfilm. Doch bald schon stellte sich heraus, dass bisher kaum Material zu diesem gigantischen Verschwendungsproblem publiziert wurde. Also entschlossen wir uns, unsere Recherchen in einem Buch zusammenzufassen.
»Die Essensvernichter« ist also zunächst das Buch zum Film »Taste The Waste«, es erscheint zeitgleich mit dem Kinostart. Aber es ist auch eine Anleitung zum Aktivwerden. Wir wollen damit eine gesellschaftliche Veränderung anstoßen. Es kann daher auch als Materialsammlung verstanden werden, für die Bildungsarbeit oder weitere Aktivitäten. Gemeinsam mit Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen haben wir auch eine öffentliche Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung ins Rollen gebracht, deren erste Schritte wir in diesem Buch beschreiben.
Wir wollen herausstellen, dass uns die Verschwendung von Essen emotional berührt und dass die Beschäftigung damit auch unser eigenes Verhalten verändert hat.
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Ein Drittel der weltweit für den menschlichen Verzehr geernteten und produzierten Lebensmittel landet auf dem Müll, Schätzungen für die Industrieländer gehen sogar von der Hälfte aus. Und der jährliche Müllberg wächst immer weiter, seit den 1970er-Jahren hat er sich um 50 Prozent vergrößert. Offenbar sind die Erfahrungen der Lebensmittelknappheit nach dem Krieg in Deutschland längst vergessen. Vorbei die Ermahnungen unserer Mütter und Großmütter, keine Reste auf dem Teller liegen zu lassen, während die Kinder in Afrika verhungern. Lebensmittel sind heute Massenware, die Discounter unterbieten sich im Preis. Im Supermarkt sollen wir uns zwischen über 100 Joghurtsorten entscheiden, eine Auswahl, die nur zu oft im Kühlschrank verdirbt.
Es ist verblüffend: In einer Welt, in der so ziemlich alles erfasst, datiert, beziffert und hochgerechnet wird, gibt es keine verlässlichen Angaben zu unseren Ernährungs- und Wegwerfgewohnheiten. Wir verfügen nur über Durchschnittswerte und Hochrechnungen zu den Speisen, die wir tatsächlich zu uns nehmen, und denen, die wir verschmähen. Keiner hat sich je darum gekümmert, die Nahrungsverluste und – verschwendung entlang der Produktions- und Konsumkette zu ermitteln. Mittlerweile ist jeder Quadratzentimeter der Rückseite des Mondes exakt vermessen, aber niemand kann genau sagen, wie viele Ressourcen an Energie, Wasser, Boden und Arbeitskraft durch das Wegwerfen von Nahrungsmitteln ungenutzt vergeudet werden. Ebenso wenig erfährt man Exaktes über die Folgen und Auswirkungen der Überproduktion der Industrienationen und unseres Konsums auf die Lebensbedingungen von Menschen und Tieren in Ländern des globalen Südens. Und das, obwohl Studien aus dem Ausland schwindelerregende Ausmaße vermuten lassen. Wir in Deutschland brauchen diese Zahlen, um zu wissen, wo sinnvollerweise mit Gegenstrategien angesetzt werden kann.
Zuvor müssen aber noch grundsätzliche Fragen geklärt werden: Wo fängt Verschwendung an, und wie definiere ich Lebensmittelmüll? Da werden oft Äpfel mit Birnen verglichen. Sind Biosprit und Fleischkonsum nicht auch Formen der Lebensmittelverschwendung? Ist die Energiemenge des Getreides für die Viehmast verschwendet oder notwendiger Einsatz für höherwertiges tierisches Eiweiß? Über eine Milliarde Menschen auf der Welt sind übergewichtig, ernähren sich falsch und nehmen viel zu viele energiereiche Speisen und Getränke zu sich. Ist das ebenfalls Verschwendung oder sogar eine eingeplante Form der Müllentsorgung in einem auf wachsenden Konsum und Überproduktion ausgerichteten Wirtschaftssystem? Produzieren und verschwenden die Nahrungsmittelmultis aus Renditegründen bewusst viel zu viele Waren oder benötigt eine gesunde Volkswirtschaft nicht eine gewisse Überproduktion, um in Krisenzeiten abgesichert zu sein?
Wir beschränken uns zunächst auf die Verluste und Verschwendung der Nahrungsmittel, die direkt für den menschlichen Verzehr angebaut und produziert wurden. Aber auch dazu ist die Zahlenlage keineswegs eindeutig. Es gibt keine einheitlichen Untersuchungen, sondern nur Anhaltspunkte und Schätzungen zu dem, was täglich
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