Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
Gruppe, die wegen der langen, dunklen Winter ein Beleuchtungssystem entwickelte.
Es gab aber auch viele kritische Fragen: »Es ist definitiv billiger, einfach einen Salatkopf im Supermarkt zu kaufen. Und viele Leute sagen mir, dadurch hat man doch auch höhere Stromkosten. Aber was sie nicht bedenken, ist die Menge an Energie, die aufgewendet wird, um diesen Salatkopf zu uns zu bringen. Das ganze Plastik für die Verpackungen, das Benzin für den Traktor und den Kühl-Lkw.« Am wichtigsten aber ist für Britta Riley die mentale Veränderung: »Wer selbst sein Essen anbaut, der schafft Wertschätzung. Wenn wir über Verschwendung reden, das hat doch damit zu tun, dass wir in der Stadt alle so weit weg sind von der Landwirtschaft.«
Die Designerin hat regelmäßig Besuch von Schulklassen. In New York bedeutet dies oft, zunächst einmal Grundsätzliches zu erfahren: »Viele Stadtkinder wissen noch nicht einmal, wo die Salatköpfe herkommen. Die meisten sind begeistert von den Fenstergärten, aber sie wollen nichts davon essen. Sie sagen mir: Meine Mama hat mir gesagt, ich soll nichts essen, das nicht aus einer Verpackung kommt.«
Britta Riley wird ernst: »Diese Kinder wachsen in einer Welt auf, in der immer irgendjemand ihr Essen vorbereitet. Selbst etwas anbauen ist für sie ein völlig abartiges Konzept. Das ist doch eine Schande, die Landwirtschaft war doch ganz fundamental in der Evolution des Menschen. Und jetzt geht dieses Wissen verloren.«
Inzwischen ist die Salaternte beendet, Britta Riley wäscht die Blätter, trocknet sie und fügt Essig und Öl hinzu. »All dieses Grünzeug ist frühestens drei oder vier Tage nach der Ernte bei uns, so lange dauert der Lkw-Transport. In dieser Zeit sind die Blätter am Absterben. Die Salatblätter, die wir üblicherweise kaufen, haben deshalb bereits die meisten Nährstoffe und Vitamine verloren.« Sie lächelt: »Wenn ich zum Beispiel von diesem Grünkohl jetzt ein Blatt abzupfe, da sind noch alle Nährstoffe drin, und es ist ein lebendes Blatt.« Sie steckt sich das Blatt in den Mund und beißt auf das knackige Grün: »Lecker, so frisch.«
Eine überaus sympathische Erfindung. Vielleicht nicht massentauglich, aber wegweisend. In den USA wurde in den letzten Jahren aber auch eine Lösung erfunden, die sich eher an die bestehenden industriellen Strukturen richtet: Das System »Value Waste«, das im Wesentlichen darauf beruht, dass Lebensmittelmüll an der Quelle erfasst wird.
Erprobt wurde das neue System zunächst in Großküchen, wie zum Beispiel im Lourdes-Hospital in Camden, einem Problemvorort von Philadelphia. Wie überall im öffentlichen Sektor wurden auch der Klinik viele Zuschüsse gestrichen. Verzweifelt suchte die Verwaltung nach Möglichkeiten zu sparen – das war der wahre Grund, warum »Value Waste« eingeführt wurde.
In der Küche werden gerade die Reste des Frühstücks angeliefert – die Teller stapeln sich auf mehreren Rollwagen. »Früher hätten wir die Überreste direkt in den Mülleimer geleert«, erklärt der Leiter des Küchenteams Andrew Scullan. »Heute geben wir alles zunächst einmal auf die Waage.« So wird die Überproduktion minutiös vom Computer erfasst – und direkt an das Küchenteam weitergemeldet, das damit den Tagesbedarf besser einschätzen kann.
»Wenn der Frühstückskoch die zurückgeschickten Speisereste jeden Morgen wiegt, dann begreift er schnell, dass er jeden Tag zwei Pfannen Rührei zu viel macht und dass er sich das sparen kann.« Andrew Scullan war selbst erst skeptisch, aber die Erfolge haben ihn restlos überzeugt: »Das Verhalten aller Mitarbeiter ändert sich, weil ihnen so überhaupt erst bewusst wird, was sie tun. Alles in allem haben wir im letzten Jahr beim Einkauf der Lebensmittel rund 40 000 Dollar gespart. Und das nur, indem wir den Müll gewogen haben.«
Für das Lourdes-Hospital heißt das konkret: ein Drittel weniger Müll in nur einem Jahr. Andere Kantinen und Cafés in den USA haben das Konzept inzwischen übernommen, das von der privaten Firma Leanpath vermarktet wird.
Zu Vorzeige-Ökos sind die Amerikaner damit allerdings noch nicht geworden. Die Großküche entsorgt ihre Abfälle wie eh und je: Im Akkord schüttet ein Hilfsarbeiter den Inhalt der Teller in einen großen Schlund, ein ständiger Wasserstrom spült alles unsortiert weg, Essensreste, gemischt mit Pappe und Plastikverpackungen. Nur die Messer und Gabeln werden von einem Magneten herausgefischt.
Andrew Scullan führt uns zur
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