Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
schreibt sie an einem Buch über ihre Recherchen bei holländischen, italienischen und koreanischen Bauern. Dadurch weiß sie, dass sich in unseren Küchen Gewohnheiten etabliert haben, die eigentlich völlig sinnlos sind: »Viele Leute bewahren Eier im Kühlschrank auf. Wenn ich frage, warum im Kühlschrank, antworten sie: Weil es dort einen Platz gibt für die Eier. Aber als ich auf dem Land war, hat dort niemand Eier im Kühlschrank aufbewahrt.«
Die moderne Wissenschaft bestätigt das uralte Wissen der Bauern: Die Eier halten im Kühlschrank nicht länger als draußen. Wenn die Eier salmonellenverseucht sind, dann sind die Bakterien nur auf der Schale und gelangen erst beim Aufschlagen der Eier in unsere Nahrung. Gefährlich werden sie erst dann, wenn sie nicht gekocht werden, also bei Speisen, die rohes Ei enthalten. Und wenn die Bakterien Zeit haben, sich zu vermehren – bei sommerlich warmen Temperaturen genügen wenige Stunden, völlig egal ob die Eier aus dem Kühlschrank kommen oder nicht.
Der Kühlschrank hat für die Eier sogar einen Nachteil: »Sie nehmen den Geruch an, der sie umgibt.« Egal ob kühl oder nicht kühl, kaum jemand weiß, wie lange Eier halten, das aufgedruckte Legedatum gibt leider nur einen groben Anhaltspunkt. Deshalb hat Jihyun Ryou für ihr Eierregal noch einen kleinen Wasserbehälter entworfen. Hier kann man die Eier testen: Sind sie noch gut, sinken sie zu Boden, schwimmen sie an der Wasseroberfläche, sollte man sie nicht mehr roh essen.
Meine Lieblingserfindung aber ist das kombinierte Apfel-Kartoffel-Regal: Äpfel dunsten ein Gas namens Äthylen aus. Das wusste ich schon, deshalb soll man ja auch Äpfel nicht in dieselbe Schale mit anderem Obst geben, weil dieses dadurch schneller reift und verdirbt.
Was ich nicht wusste: »Mit den Kartoffeln funktioniert es genau andersherum«, erklärt mir die pfiffige Koreanerin. »Wenn man sie zusammen mit Äpfeln aufbewahrt, verlangsamt das Äthylen das Keimen der Kartoffeln.« In ihrem Regal liegen deshalb die Äpfel direkt über den Kartoffeln, durch kleine Löcher fällt das Gas in die dunkle Kartoffelschublade und verhindert, dass die Knollen keimen.
Manche Bauern lagern Äpfel schon seit Jahrhunderten neben Kartoffeln – nur war dieses Wissen schon so gut wie ausgestorben. Mit ihrer genialen Verbindung von altem Wissen und neuem Design löste Jihyun Ryou nach der Ausstrahlung unseres Films in einigen Ländern regelrechte Begeisterungsstürme aus, wie die Nachrichten auf unserer Facebook-Seite belegen.
Das ist ja eigentlich nicht mein Job, aber ich fand, diese Erfindung verdient eine größere Verbreitung, und sprach einen Küchenhersteller an. Ohne Erfolg, vielleicht war das aber auch ein dummer Gedanke, schließlich verdienen die Fabrikanten doch viel mehr Geld mit ihren Kühlschränken. Kürzlich meldete sich eine schwedische Blumenhändlerin, die die Gemüseregale in großen Stückzahlen fertigen lassen und vermarkten will.
Die Zeit ist reif für einen Wandel. Ein Wandel, der durch das Verhalten von vielen einzelnen Verbrauchern ausgelöst wird. Von Verbrauchern, die begriffen haben, dass für unser verschwenderisches System die Summe aller Kaufentscheidungen verantwortlich ist. Immer mehr Initiativen beschäftigen sich deshalb mit unserem Konsumstil. Die wohl jüngste dieser Bewegungen ist der »Carrotmob« – eine Mischung aus den Worten Flashmob und Karotte. Flashmobs sind spontane, übers Internet organisierte Proteste, und die Karotte ist das Symbol der Belohnung. In dem Fall soll ein Laden belohnt werden, der Vorbildliches verspricht.
Eigentlich auch eine schöne Sache, um das Thema Überproduktion zu thematisieren, dachte ich mir, und sprach die Kölner Carrotmob-Gruppe an. Die hatte gerade mit Erfolg ihre erste Aktion absolviert, in einem Gemüseladen. Über 200 Leute stürmten den Laden an einem Samstag und kauften, was das Zeug hielt – der Inhaber hatte versprochen, den gesamten Umsatz dieses Tages in Energiesparmaßnahmen zu stecken.
Kaufen für das Klima, das passt doch auch perfekt zur Lebensmittelverschwendung: Ich hatte die Carrotmobber schnell vom Thema überzeugt. Doch wie finden wir einen Laden, der Vorbildliches in Sachen Müllvermeidung leistet? Einen innovativen Supermarkt hatte ich ja schon zuvor vergeblich gesucht, bei der Recherche für den Film. Eine Runde Brainstorming im Biergarten und unsere Wahl war klar: Es soll eine Bäckerei sein, schließlich wird beim Brotwegwerfen am meisten Energie
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