Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
verarbeiten«, erklärt Timo Schmitt. »Das, was am Ende übrig bleibt, geht wieder zurück in die Verteilung. Ich komme auf dem Weg nach Hause an so vielen Obdachlosen und Punkern vorbei, und die freuen sich jedes Mal, wenn ich ihnen unsere Reste gebe, denn die sind ja noch einwandfrei.«
Das Ziel der Kochkurse ist es, dass die Kinder lernen, »dass Ernährung etwas Essenzielles für uns Menschen ist«. Damit geht die Berliner Tafel weiter als die meisten anderen Tafeln, bei denen der karitative Gedanke im Vordergrund steht. »Die klassische Idee von ›City Harvest‹ – dem Vorläufer der Tafeln in den USA – war es doch, den Kampf gegen die Überproduktion mit der Hilfe für Bedürftige zu verknüpfen«, erklärt Sabine Werth, Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel.
Doch sägen die Tafeln damit nicht an dem Ast, auf dem sie sitzen? Schließlich leben sie doch von der Überproduktion. Sabine Werth lacht: »Es gibt so viel Überschuss, da bleibt schon noch genug für uns übrig.« Viele Fabriken und Supermärkte sind erst durch die Zahlen der Tafel darauf aufmerksam geworden, wie viel sie überhaupt wegwerfen: »Vorstandsmitglieder großer Unternehmen erzählten mir, dass sie zuvor dachten, der Ausschuss sei unbedeutend klein. Erst als sie unsere Rückmeldungen bekamen, wie viele Tonnen wir abgeholt haben, fingen sie an sich zu überlegen, wie sie diese Mengen reduzieren können. Es handelt sich schließlich um bares Geld.«
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»Taste The Waste« – vom Film zur Bewegung
Wenn ein Film etwas bewegt, dann spürt man dies zuerst bei der Crew. Der Effekt war wirklich unglaublich: Vom Kamerateam bis zur Praktikantin – alle erzählten, dass sich durch die Beschäftigung mit »Taste The Waste« auch das eigene Verhalten veränderte. Wie zum Beispiel unserer Cutterin Birgit Köster, einer temperamentvollen Kollegin mit scharfer Zunge. Kürzlich beim Gemüsehändler erregte ein Bündel Weintrauben, das an einem Ende schon etwas angefault war, ihr Mitleid. Sie fragte, ob sie die Trauben etwas billiger haben könne. Die Verkäuferin verneinte. Birgit fragte, was sie denn jetzt mit den Trauben mache. Als sie die Antwort hörte – wegwerfen –, war Birgits Zorn erst richtig entfacht. Sie verlangte nach der Chefin und protestierte lauthals.
Von den meisten Kollegen aber hörte ich, dass sie ihr Verhalten in der Küche änderten. Ich persönlich finde die vorausschauende Einkaufsplanung am schwierigsten. Und dann die Entscheidung vor dem Kühlschrank: Was kochen wir heute? Weil es dann nicht heißt: Wozu habe ich heute Lust? Sondern: Was muss als Erstes weg? Daraus erwächst aber bald schon eine neue Lust an der Kreativität. Gute Anregungen für neue Kombinationen gaben mir dabei die Resterezepte, die unsere Produzentin Astrid auf unserer Webseite veröffentlicht hatte.
Resterezept – das klingt ein wenig nach Notverwertung und nicht sehr genussvoll. Aber wenn ich so zurückschaue, dann muss ich sagen: Das Gegenteil war der Fall. Weil ich und meine Frau uns mehr mit der Einkaufsplanung beschäftigt haben, stiegen auch die Qualität der eingekauften Lebensmittel und das Interesse an Konservierungsmethoden. Genial sind zum Beispiel getrocknete Steinpilze vom Italiener, so hat man immer eine Beilage für ein Risotto.
Ich liebe gute Weine, wir trinken aber selten eine ganze Flasche zum Essen. Ich habe deshalb einen Gummipfropfen mit einer Vakuumpumpe gekauft – so hält der Wein wesentlich länger. Beim Sekt kann man übrigens genau andersherum Luft hineinpumpen und so Partyreste für längere Zeit prickelnd halten – der allgemein verbreitete Löffel im Flaschenhals ist ja leider nur ein Mythos und bringt gar nichts.
So einige Dinge in unserer Küche sind anders als zuvor: Da steht der Lauch aufrecht in einem Töpfchen außerhalb des Kühlschranks (so hält er länger). Anstatt Müsli zu kaufen, haben wir uns eine Getreidemühle angeschafft. Und: Im Gefrierfach finden sich mehrere Restetüten. Die Herausforderung ist es, den Überblick zu behalten, und ich muss zugeben, so ganz meistern wir diese Herausforderung noch nicht.
Was hingegen immer besser klappt, ist das frisch Kochen, auch und nicht zuletzt, weil mein ältester Sohn Leo eine zunehmende Leidenschaft fürs Kochen entwickelt und sogar unsere Jüngste, Selina, anzustecken droht. Die Kinder bremsen allerdings mein jüngstes Projekt: weniger Fleisch zu essen. Also kaufe ich einfach weniger: 500 Gramm Hackfleisch für eine Bolognese sind
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