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Die Essenz der Lehre Buddhas

Die Essenz der Lehre Buddhas

Titel: Die Essenz der Lehre Buddhas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalai Lama
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Dinge können kein in ihnen selbst liegendes Sein haben.« Wenn die Dinge etwas von einer ihnen selbst innewohnenden Existenz hätten, müsste man diese Eigenexistenz ja durch gezielte Suche auffinden können. Tatsächlich zeigt sich jedoch beim Nachforschen, dass solche eigenständige Existenz einfach nicht gegeben ist.
    Nagarjuna zieht in seinem Werk Kostbare Girlande einen Vergleich: Wie eine Fata Morgana Wasser vortäuscht, das beim Näherkommen nicht vorhanden ist, so scheinen Körper und Geist ein Selbst zu bilden, das sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als nicht vorhanden erweist.
    Wenn wir nicht wissen, weshalb der Buddha von Leerheit sprach, werden wir nicht verstehen, was damit gemeint ist. Wir müssen erkennen, dass wir mit unserem Festhalten an der Eigenexistenz der Dinge den Grund für das Auftreten geistiger Plagen wie Anhaftung und Widerwille
und die daraus folgenden Leiden legen. Wenn wir dieser natürlichen Neigung zum Glauben an ein den Dingen selbst innewohnendes Sein entgegenwirken, entziehen wir dem Leiden seine Grundlage.
    Shantideva ruft uns in seinem Leitfaden für das Leben eines Bodhisattwas in Erinnerung, dass der Begriff »Leerheit« nicht die Dinge in der Welt rings um uns her verneint; wir möchten vielmehr unsere Wahrnehmung verändern, die in diesen Dingen ein wahres, in ihnen selbst liegendes Sein erkennt, denn unser Festhalten an diesem Irrtum ist der Ursprung aller Leiden.
    Die Seinsqualität, die es zu negieren gilt, um den Ursachen unserer Leiden gänzlich den Boden zu entziehen, ist von überaus subtiler Art. Die Verneinung eines einheitlichen, unwandelbaren und eigenständigen Selbst reicht ebenso wenig aus wie die Zurückweisung eines sich selbst genügenden und wahrhaft existierenden Selbst. Solange die Vorstellung eines innewohnenden Seins nicht gänzlich aufgehoben ist, bleibt die Grundlage für ein Festhalten an einem Ich oder Selbst bestehen. Bei Nagarjuna lesen wir: »Das wichtigste Kennzeichen der Leerheit liegt darin, dass sie alle gedanklichen Komplikationen aufzulösen vermag.« Wenn wir also das Getriebe unserer grundlegenden Unwissenheit anhalten wollen, sodass geistige Plagen und die aus ihnen folgenden Leiden gar nicht mehr möglich sind, ist es unbedingt erforderlich, dass wir jeden letzten Rest von objektiver Realität negieren.

    Hier bleibt noch anzumerken, dass die Verneinung des Nichtexistenten nicht die Existenz von etwas anderem an seiner Stelle impliziert. Es ist wirklich reine Verneinung ohne eine neue Setzung – ungefähr so, als würde ich sagen, dass in meinem Zimmer kein Fernseher ist. Mit dieser Aussage deute ich nicht an, dass sonst etwas in meinem Zimmer ist. Wenn etwas also keine Eigenexistenz besitzt, besagt das nicht, dass irgendwelche anderen Eigenschaften vorhanden wären. Leerheit drückt das Nichtvorhandensein von Eigenexistenz aus, sonst nichts.
    Geistige Plagen
    Wenn wir uns ansehen, was in unserer Psyche vor sich geht, stellt sich heraus, dass unser Festhalten an der objektiven Realität der Dinge eine verzerrte Wahrnehmung der Welt bedingt, vor allem wenn starke Gefühle wie Anhaftung oder Zorn im Spiel sind. Wenn wir etwas anziehend finden, projizieren wir ein Erwünschtsein auf dieses Objekt, das nicht in ihm selbst liegt. Jetzt fühlen wir uns nicht mehr nur angezogen, sondern es wird ein Wunsch daraus. Entsprechendes gilt, wenn wir etwas unattraktiv finden: Sofort projizieren wir eine Unerwünschtheit auf diese Sache, die gar nicht in ihr selbst liegt. Wir empfinden dann einen Widerwillen, der leicht
zu Ärger, Feindseligkeit oder Hass werden kann. Hinter solchen vielschichtigen plagenden Gefühlen steht unsere falsche Wahrnehmung der Dinge, die wiederum auf eine tiefe Überzeugung zurückgeht, nämlich dass den Dingen und Ereignissen eine objektive Realität innewohnt. Deshalb ist es so wichtig, unser verzerrtes Bild der Welt zu korrigieren.
    Wie können wir gegen diese grundlegende Verblendung vorgehen? Der bloße Wunsch – »Möge mein Festhalten an der Eigenexistenz der Dinge verschwinden« – wird nicht genügen. Auch der Segen eines anderen wird uns nicht dazu verhelfen. Wir können an der verblendeten Wahrnehmung unserer selbst und der Welt ringsum nur dadurch etwas ändern, dass wir unsere natürliche, aber falsche Sicht der Dinge durch eine zutreffende ersetzen, die wir in uns heranbilden. Und diese zutreffende Sicht besteht in wahrer Einsicht in die Leerheit.
    Hier hilft uns das Verständnis von etwas weiter, das

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