Die Eule - Niederrhein-Krimi
das Glockenspiel hörte sie per Handy wesentlich klarer als ein paar Meter zuvor direkt in diesem Hausflur.
»Wir wissen Bescheid. Es geht Ihnen um Vergeltung für eine lange Leidenszeit.«
»Nichts wisst ihr, gar nichts.«
»Wir wissen, was Cornelia gemacht hat. Sie hat Ihren Vater damals verraten, wir haben alles herausgefunden. Kommen Sie heraus, wir müssen reden.«
Keine Reaktion, Atmen, das Glockenspiel ertönte mit einer einfachen Version von »Der Winter ist vergangen, ich seh des Maien Schein«.
»Was sie damals gemacht hat, dafür kann sie nicht mehr belangt werden. Aber was sie hier getan hat, dafür wird sie angeklagt werden. Wir haben Beweise für ihre aktuellen Bespitzelungen. Zeigen Sie sich, kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.«
Die Verbindung wurde abrupt beendet.
Die Hauptkommissarin lief zu den anderen. »Sie sind ganz in der Nähe, ich habe da drinnen das Glockenspiel gehört. Die Entführer und Cornelia Garowske sind in irgendeinem der Häuser hier am Großen Markt. Was sagt die Ortung?«
»Wie Sie schon sagten, in unmittelbarer Nähe, ich kann die Grafik leider nicht vergrößern. Die Ortung haus- oder gar wohnungsgenau, das können wir nicht liefern. Hier sind wir richtig, das steht fest.«
Karin sah sich auf dem menschenleeren Platz um. Ihr Blick wanderte großräumig umher. Sie konnte keine verräterische Bewegung hinter Gardinen entdecken, die Häuser wirkten leblos und wie unbewohnt. So viele private Wohnungen, die konnten sich überall verbergen.
* * *
Inzwischen hatten sich hinter den Absperrungen Trauben von Menschen gebildet. Von Aha entdeckte plötzlich den Diakon Conrad van Laak, der erregt mit einem Polizisten diskutierte und offensichtlich versuchte, zu ihnen zu gelangen. Der Kommissar stieg aus und eilte auf ihn zu, ohne Aufsehen zu erregen.
Burmeester stellte sich zu Karin Krafft, eine gespenstische Stille lag auf dem Platz, der sonst mit Leben gefüllt war. Auf benachbarten Dächern sah man die schwarzen Sturmhauben der Scharfschützen. Diese Elitetruppe war für extreme Einsätze ausgebildet und verfehlte nie ein einmal anvisiertes Ziel. Die Baustelle an der Fassade der Trapp-Zeile lag totenstill da, die Bauarbeiter hatten sich auf die andere Seite des Hauses zurückgezogen.
Plötzlich kam von Aha auf die Kommissarin zugerannt.
»Frau Krafft, der Diakon ist festgenommen. Er ist ausgestiegen aus der Entführung, gibt aber zu, beteiligt gewesen zu sein. Er stelle sich freiwillig, weil er nicht geahnt habe, wie die Sache aus dem Ruder laufen würde. Er wolle keine Schuld mehr auf sich laden.«
»Wie – er war wirklich beteiligt? Habe ich seine Stimme doch richtig erkannt!«
»Ja, er habe seinen Bruder in seiner Vergeltung gegenüber der verräterischen Schwester unterstützt. Dieser innere Befreiungsschlag sei auch seine Sehnsucht gewesen, behauptet er. Doch das sei ein Irrglaube gewesen. Er wolle nicht mehr weiter den Weg der späten Abrechnung gehen, aber sein Bruder sei zu allem entschlossen. Der habe nicht mehr lange zu leben, er ist todkrank und wolle nach all den Jahren Gerechtigkeit. Unbedingt!«
Burmeester resümierte aufgeregt, während sein Blick aufmerksam über den Großen Markt schweifte.
»Dann stimmt es also, dass sich zwei in Ost und West getrennt lebende Zwillingsbrüder nach Jahrzehnten zusammengetan haben, um sich an ihrer Schwester zu rächen. Verspätet, aber umso gnadenloser.«
Gero von Aha widersprach. »Rache – das klingt wie Blutrache innerhalb eines Clans. Nein, hier geht es um mehr, um Schuld und Sühne, um tiefe persönliche Verletzungen und späte Heilung.«
Karin Krafft stoppte die beginnende Debatte. »Schluss jetzt, dafür haben wir keine Zeit. Es bleiben also ein Entführer und Cornelia Garowske als Bedrohte übrig. Von Aha, Sie leiten die Suche nach seinem Aufenthaltsort. Und bringen Sie mehr Einzelheiten zu dem Mann, der die Garowske festhält, ich will ein Profil.«
Gero von Aha sprintete erneut über den Platz.
Wieder klingelte Karin Kraffts Handy. Eine düstere, wild entschlossene Stimme gab Anweisungen.
»Gut, wir kommen runter. Ziehen Sie Ihre Leute zurück. Ich komme mit entsicherter Waffe und ziele auf Cornelia. Ich werde ihr die Waffe so lange an den Kopf halten, bis sie wirklich verhaftet ist. Ich kenne kein Pardon und kein Zurück. Ich habe nichts zu verlieren, und viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Wenn ihr sie habt, könnt ihr mir eine Kugel in den Kopf jagen, das erspart mir qualvolle Wochen und
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