Die Eule - Niederrhein-Krimi
Ausbildung und Prüfung kirchliche Aufgaben übernehmen darf. Ich bleibe dieser Welt treu und helfe in jener, so gut es geht, aus. Wissen Sie, die Kirche war mir oft in meinem Leben Zufluchtsort, spendete Trost und Zuversicht. Ich gebe ihr ein wenig meiner Lebenszeit zurück, indem ich hier in der Pilgerbetreuung mitarbeite und die eine oder andere Aufgabe übernehme. Wo sich gerade eine Lücke auftut, bin ich da.«
Er redete wie ein Wasserfall, von Schicksalsschlägen, dem langen Leiden seiner ersten Frau, der Unterstützung durch seinen damaligen Geistlichen, von einem inneren Zuhause und von seiner Bewunderung für die Menschen, die sich Jahr für Jahr auf den Weg machten, um durch eine Wallfahrt zum Glauben zu finden oder ihn zu stärken.
»Jährlich kommen rund eine Million Pilger nach Kevelaer. Es gibt eine exotische, farbenprächtige Prozession der Tamilen, die hier in Europa leben; es kommt die dröhnende Schar der Motorradfahrer zur Wallfahrt, und die starken Jungs holen sich ihren Segen ab. Der Mütterverein kommt und die KAB aus dem kleinsten Dorf.«
»Und die ›Gerechten der Welt‹, waren die Ihnen schon bekannt?«
Van Laak berichtete von mehreren Versuchen des Gemeinschaftsoberhauptes, Wallfahrten zu organisieren. Erst er habe sie in den Plan integriert, denn Beistand von oben sei eine klärende Angelegenheit. Solch einen Pilgerweg zu Fuß, den mache man nicht aus Spaß mit, da müsse man schon einen glaubenden Hintergrund haben, sonst ginge das nicht.
Eine große Gruppe mit eigener Musikkapelle lief an ihnen vorbei, die ersten Reihen noch im Takt singend, während die letzten den musikalischen Anschluss verpasst hatten. Karin wollte es genauer wissen.
»Pilgern ist doch modern geworden, seit Hape Kerkeling den Jakobsweg gegangen ist. In seinem Buch beschreibt er auch Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen quer durch Spanien laufen, und nicht immer ist es der pure Glaube an Gott, der sie antreibt.«
»Vielleicht nicht direkt, aber spätestens am Ziel werden die Herzen in der Gemeinschaft erweicht. Und die Gebete oder das Schweigen, die Plackerei und die schönen Erlebnisse haben ihre eigene spirituelle Wirkung. Sind Sie schon einmal auf dem Weg gewesen?«
Bin ich dauernd, dachte Karin, das wurde ihr zum zweiten Mal an diesem Tag zu persönlich.
»Im Moment bin ich auf der Suche nach Erklärungen für diesen Unfall, der die Gruppe gestern so dramatisch gestoppt hat.«
Van Laak schlürfte seinen Kaffee.
»Wieso kommt eine Hauptkommissarin aus Wesel hierher und stellt Fragen, wenn es doch ein Unfall gewesen ist? Con hat mich noch von der Unfallstelle aus angerufen. Ich wollte kommen und helfen, sie hielt mich zurück, ich könne nichts tun. Was ist da passiert?«
»Ich kann es Ihnen noch nicht konkret sagen. Es wird immer ermittelt, wenn es unklare Sachverhalte oder Indizien gibt, die das erforderlich machen.«
Er nickte einem grüßenden Passanten zu. »Einer aus der unendlichen Schar der Messdiener, der ist gleich dran. Akte zu und einfach Schluss, das gibt es nicht, richtig?«
»Nein, nein, wir warten nicht auf eine Entscheidung von allerhöchster Stelle wie Ihre Bronzefiguren an der Kirchenfassade. Bei der Kripo geht es sehr weltlich und korrekt geordnet zu. Offene Fragen müssen zufriedenstellend und zweifelsfrei beantwortet sein. Wer ist Con?«
»So nennen sie das Oberhaupt der Gerechten, Cornelia Garowske. Sie wollte das wohl zunächst nicht, dachte an Parallelen zu filmischen Abgründen wie ›Conan, der Barbar‹. Aber einmal in die Welt gesetzt, verselbstständigt sich so eine knackige Abkürzung und bleibt.«
»Con? Hört sich echt merkwürdig an.«
»Ich glaube, ihr gefällt die Kraft dieses Kürzels wesentlich besser als Conny oder so. Con klingt eher männlich als weiblich, und diese Frau verfügt über eine Menge Kraft und Einfluss, glauben Sie mir, der traue ich vieles zu. Die hat diese Gruppe aus dem Nichts aufgebaut und führt sie mit vorbildlicher Energie über die bekannten christlichen Pfade hinaus. Sie hat eine charismatische Ausstrahlung und bietet Zuverlässigkeit, innere Struktur, eine gewisse Wärme. Sie kann aber auch unbarmherzig sein.«
Er berichtete von Ausschlussverfahren gegen Mitglieder, deren Lebenswandel nicht zu den Statuten passte. Es gebe einen ganzen Katalog an Grundsätzen, den neue Mitglieder neben der Bibelarbeit zu bewältigen hätten, und ein untadeliger Lebenswandel gehöre zu einem Mitglied wie ein monatlicher Beitrag, den jedes
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