Die Eule - Niederrhein-Krimi
musste und in einem Zimmer oder hinter einem Vorhang verschwand. In Krankenhausserien erschien spätestens jetzt eine dienstbeflissene Krankenschwester, um mit strenger Miene auf die Erholungsbedürftigkeit und die Grenze der Zumutbarkeit für den Patienten hinzuweisen. Burmeester sah sie schon vom Ende des Flures auf sich zukommen. Anders als die Walküren aus dem Fernsehen war sie klein, zierlich und blickte ihm freundlich entgegen. Er fischte seinen Ausweis aus der Jackentasche.
»Ich weiß, kurz und behutsam.«
Sie lächelte ihn an. »Ich merke schon, Sie kennen sich aus. Wir wünschen uns hier Besuch für die Patienten, der sie aufmuntert. Leider bringen Kripobeamte selten Entspannung mit. Sie werden ungeduldig erwartet. Frau Engelmann gibt keine Ruhe.«
Burmeesters Beklemmung wuchs beim Anblick der Patientin, die nur aus Mullbinden, Schläuchen und leuchtenden Schürfwunden im Gesicht zu bestehen schien. Gerötete Augen blickten ihm entgegen, er stellte sich vor.
»Frau Engelmann, hat schon jemand mit Ihnen …«
Sie nickte und schluchzte kurz auf, der Monitor über ihrem Kopf machte ihre gesteigerte Herzfrequenz sichtbar. Nur Sekunden später stand die Krankenschwester im Raum.
»Alles in Ordnung?«
Burmeester zog die Schultern fragend hoch. »Ich habe mich nur vorgestellt.«
Monika Engelmann meldete sich heiser zu Wort. »Es ist gut, Schwester Iris, ich habe doch extra drum gebeten, dass jemand kommt. Mein Herz ist noch ganz kräftig, im Gegensatz zum Rest meines Körpers.«
Schwester Iris schlich raus, während Burmeester sich einen Stuhl angelte.
»Sie möchten etwas loswerden, habe ich gehört. Wo sollen wir anfangen?«
»Kommen Sie ein Stück näher. Ich kann nicht laut sprechen. Wenn ich mich räuspere oder lache, protestiert jede einzelne gebrochene Rippe.«
Burmeester postierte sich so nah wie möglich am Bettende.
»Als ich hörte, dass der Kai … Da war mir schnell klar, wer dahintersteckt.«
Nur ein zaghaftes Stirnrunzeln deutete auf Burmeesters Überraschung hin. »Was meinen Sie?«
»Ich weiß genau, wer dafür verantwortlich ist. Es gibt sonst niemanden, der den Kai so sehr hasst.«
»Frau Engelmann, ist Ihnen klar, dass der Kai nicht das einzige Opfer ist?«
Sie deutete ein Nicken an. »Der war so ein lieber Mann. Bis ich hier wieder rauskomme, werden Wochen vergehen. Wissen Sie, wie das ist, wenn man sich nicht von jemandem verabschieden kann? Alles ist in Ordnung, und eine Sekunde später ist alles vorbei. Ich kann nicht einmal seine Beerdigung organisieren.«
Tränen schossen ihr in die Augen, Burmeester zupfte ein Papiertuch aus der Box auf dem Regalbrett über ihrem Bett. Sie tupfte sich schwerfällig die Augen trocken.
»Das wird die jetzt mit Genugtuung übernehmen.«
»Wer?«
»Wenn jemand ihm alles Schlechte an den Hals gewünscht hat, dann seine Ex. Seit ich ihn kenne, hat sie ihm ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen. Eiskalt ist die. Erst kamen die horrenden Unterhaltsforderungen, das ganze Programm mit Gehaltspfändung und allem. Nie wusste er, wie viel noch auf seinem Konto war. Am liebsten wäre er ausgewandert. Wissen Sie, wir hatten schon Kanada ins Auge gefasst. Er hat nämlich Verwandte dort. Entschuldigung, er hatte, ich muss mich erst an die Vergangenheitsform gewöhnen.«
»Sie trauen der Exfrau so eine Tat zu?«
»Ja. Wir wären auch schon längst weg, wenn da nicht seine kleine Tochter wäre. Er hängt … hing sehr an ihr. Damit hat sie ihm das Leben erst recht zur Hölle gemacht. Können Sie sich vorstellen, Ihr eigenes Kind nur alle vierzehn Tage für ganze zwei Stunden sehen zu dürfen? Und das in einem fremden Raum mit einer Aufsichtsperson im Nacken.«
Burmeester dachte kurz nach, so etwas hatte er schon gehört. In schwierigen Trennungsfällen wurde so verfahren.
»Das war wohl ein begleiteter Umgang, richtig? Eine pädagogische Fachkraft ist anwesend und muss unter Umständen auch dokumentieren, wie es zwischen Vater und Kind läuft.«
»Genau. Es gab keinen Grund für diesen Unsinn. Diese Schlampe hat das einfach ohne den geringsten Anlass bestimmt. Er hat sein Kind geliebt. Kai hätte der Kleinen nie was getan. Im Gegenteil, er war ein vorbildlicher Vater.«
Es musste Gründe geben, dachte Burmeester, da so ein Vorgehen oft vom Gericht angeordnet wurde.
»Die hat ihm auch die Polizei auf den Hals gehetzt. Ich habe doch nichts getan, sagte er dann, ich weiß nicht, was die hat, ich wollte sie doch nur kurz sprechen.«
»Wann
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