Die Eule - Niederrhein-Krimi
Abschiedsschmerz, auf keinen Fall von Vermissen und Lücke reden, nahm sie sich blitzschnell vor.
Er seufzte. »Man soll eben gehen, wenn es am schönsten ist.«
Sie prostete ihm zu. »Genau, du sagst es.«
»Und ihr seid ja nicht aus der Welt.«
Nur nicht zur Rückkehr ermutigen, dachte Karin, wähl die richtigen Worte. »Nein, sind wir nicht. Du lädst uns einfach mal zum Fischessen ein.«
Maarten stand in der Tür, ihr großer, schöner, starker Maarten, der Hüne mit dem Zopf aus dichten langen Haaren, die allmählich von einzelnen grauen Fäden durchzogen wurden, in schwarzer abgewetzter Lederhose, unter der Weste ein weites weißes Hemd mit lässigem Stehkragen, im Ausschnitt ein Lederband mit der Replik eines römischen Anhängers in Form der in Xanten gefundenen Viktoria.
»Taxi für die Hauptkommissarin«, rief er mit seinem sympathischen niederländischen Dialekt in die Runde, »ich soll Frau Krafft abholen.«
Von Aha blickte auf, als seine Vorgesetzte sich von einem Taxichauffeur in die Arme nehmen ließ und nach kurzen Abschiedsworten Händchen haltend mit ihm verschwand.
Im Treppenhaus musste sie kichern. »Hast du den Neuen gesehen?«
»Du meinst dieses Brillengesicht mit den buschigen Augenbrauen und den Denkerfalten auf der Stirn, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Eule hat?«
»Genau, der glaubt jetzt, nach zwei Glas Wein lasse ich mich von einem gut gebauten Taxifahrer abschleppen.«
* * *
Auf dem Weg zum Auto berichtete Karin ihrem Mann von dem Plan, gemeinsam die Weseler Sekte auszukundschaften, und dem Anliegen des Neuen, ihren wunden Punkt zu entdecken. »Damit er mich vor dem bösen Blick beschützen kann.«
Maarten sah Karin ernst an. »Ganz wohl ist mir auch nicht bei dem Gedanken, wo du dich rumtreibst in letzter Zeit.«
Im Wagen schmiegte sie ihren Kopf an seine Schulter. »Stimmt, erst gehe ich eng umschlungen mit dem nächstbesten Taxifahrer, und dann trete ich einer geheimnisvollen Sekte bei. Ist schon bedenklich, oder?«
»Solange ich der Fahrer bin, ist das in Ordnung. Du wirst schon auf dich aufpassen. Seid ihr heute weitergekommen?«
»Das darf ich dir überhaupt nicht erzählen, wie immer.«
»Ich werde schamlos auskosten, dass du beschwipst bist. Du wirst mitteilungsbedürftig nach zwei Schluck Wein, schon vergessen?«
Wie gut er sie kannte.
Sie überquerten die Brücke, deren einzige Beleuchtung die Scheinwerfer der Autos waren und die selbst im Dunkeln imposant wirkte.
»Und?«
»Es gibt interessante Details. Am Nachmittag hat Simon herausgefunden, dass der Versicherungsagent, dessen Kundin aufgrund einer ausstehenden Lebensversicherungssumme erpresst wird, ebenfalls Mitglied der Sekte ist. Der hat in Winnekendonk in seinen Räumen simpel gedruckte Flyer von GdW liegen. Ob das Zufall ist, müssen wir noch herausfinden. Fahr langsamer, bitte, ich fahr so gerne mit dir durch die Nacht. Was ist das für Musik?«
Aus den Lautsprechern drangen entspannende, zugleich sehr rhythmische, sanfte Töne.
»Das ist House von ›De-Phazz‹, die CD heißt ›Death by Chocolate‹. Ich hab sie wegen des Titels gekauft und bin selber überrascht.«
»Wer sich solche Namen ausdenkt. Ach, und Burmeester hat was überaus Wichtiges zu der Sektenanführerin herausgekriegt. Stell dir vor, die stammt ursprünglich aus dem Osten.«
»Aus den neuen Bundesländern?«
»Ja, bloß damals hießen die noch DDR . Du erinnerst dich an die innerdeutsche Staatenteilung?«
»Ja, als Kind habe ich nie verstanden, was schlimm daran sein sollte. Man spricht in Österreich und in der Schweiz schließlich auch Deutsch, obwohl die Staaten nichts mit der BRD zu tun haben. Erst später in der Schule habe ich die geschichtlichen Hintergründe erkannt. Einmal sind wir nach Berlin gefahren, und meinem Vater hat man das Auto an der Grenze auseinandergenommen. Komplett, weißt du, Sitze rausgeschraubt, Seitenverkleidungen abgerissen, Radkappen abmontiert. Es stellte sich heraus, dass er eine verdächtige deutsche Illustrierte auf dem Rücksitz liegen hatte. Der hat geflucht, sage ich dir. Und diese Frau stammt von dort?«
»Sie ist knapp nach Maueröffnung hergekommen und hat 1989 übergangsweise in der ehemaligen Zitadelle Wesels gewohnt.«
»Verstehe ich nicht. Im Museum?«
»Nein, bevor ein Teil der Zitadelle zum Preußenmuseum umgebaut wurde, beherbergte die alte Kaserne Aussiedler, Leute, die zu DDR -Zeiten geflüchtet waren und über die zentrale Auffangstelle Friedland im Land
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