Die Eule - Niederrhein-Krimi
vorhin, als du, ihr, als Sie und du, er und du miteinander, äh, im Gespräch wart.«
Karin Krafft schaute in die Runde, blickte in unschuldige Augen, niemand hatte mitbekommen, worum es zwischen dem Neuen und ihr gegangen war. Niemand außer den Anwesenden.
»Herr von Aha, Sie und ich werden uns im Anschluss über das Vorgehen in der GdW kurzschließen. In einer Stunde in meinem Büro. Die anderen sehen wir erst zur kleinen Lage um siebzehn Uhr.«
Von schneller Duzerei war sie geheilt. Karin Krafft war entschlossen, die verbale Distanz wiederherzustellen. Bei Konflikten wäre es so einfacher, die Rollenverteilung zu klären. Situationen, in denen sie mit diesem seltsamen Neuling aneinanderrasselte, würde es geben. Das würde die Zukunft zeigen. Die Vergangenheit saß neben ihr. Sie blickte auf den eifrig protokollierenden Simon.
»Und danach feiern wir Abschied.«
* * *
Alle zogen die direkte Ermittlung vor Ort der Atmosphäre im Büro vor. Selbst Burmeester hatte sich ins Archiv verabschiedet, um über die GdW zu recherchieren. Wieder war die Hauptkommissarin mit dem merkwürdigen Neuen allein im Büro. Er vertiefte sich in die Dateien mit Informationen aus Stasiakten, neben dem Laptop lagen ordentlich aneinandergereiht ein Block, zwei Bleistifte, ein Anspitzer mit Reservoir und ein Stabradiergummi. In Göttingen kennt man also auch so etwas Primitives wie handschriftliche Notizen zum Fall, dachte Karin, bevor sie sich ihren E-Mails widmete.
Exakt zur vereinbarten Zeit stand von Aha im Türrahmen, klopfte dezent und begab sich auf den Weg zu ihrem Schreibtisch, ohne ihre Reaktion abzuwarten. Bevor sie etwas sagen konnte, saß er mit erwartungsvoller Miene ihr gegenüber, unruhig mit den Knien wippend. Geduld schien nicht seine Tugend zu sein.
»Also, wie lautet Ihre Strategie?«
»Da wir gemeinsam in der GdW-Sekte arbeiten werden, sollten wir zusammen entwickeln, wie wir vorgehen«, erklärte Karin.
Er bastelte an einer passenden Antwort. Karin sah eine neuerliche verbale Spitze voraus, kam ihm aber zuvor.
»Herr von Aha, sparen Sie sich Ihren Kommentar und lassen Sie uns loslegen. Brainstorming. Ihre Taktik?«
»Sie sind dort schon bekannt, ich noch nicht. Vielleicht ist es besser, sich in den Räumen kennenzulernen, statt gemeinsam aufzutauchen.«
»Guter Gedanke. Am Donnerstag ist großes Treffen. Vielleicht informieren Sie sich unverbindlich in dem Laden, und wir begegnen uns dann am Donnerstag. Ich habe keine Ahnung, was da abgehen wird, kenne auch niemanden, von dem ich entsprechende Infos kriegen könnte, ohne ins Blickfeld zu geraten.«
»Ich kann über sektenähnliche Systeme berichten. Wir hatten mehr mit esoterischen Gruppierungen zu tun, die nach den Vorbildern aus den Sechzigern das freie Ausleben der Gefühle propagierten. Nacktcamps, Kundalini-Meditationen bis zum Exzess, und die Kollegen hatten anschließend mit dem Ordnungsamt zusammen reihenweise Einweisungen in die Psychiatrie zu begleiten, weil manche Gruppenmitglieder in psychotische Zustände gerieten und nicht zurückkommen konnten. Da habe ich eine Zeit lang mitgemacht, um Einblick in Struktur und Abhängigkeitsverhältnisse zu bekommen.«
»Weswegen wurden die überwacht?«
»Drogen, Halluzinogene, Verkauf und Weitergabe unter anderem an Minderjährige, ein dicker Fisch im Hintergrund, der den Mitgliedern die Ersparnisse aus den Taschen zog und ihnen bei mangelnder Liquidität Kredite zu mörderischen Konditionen verschaffte.«
»Und? Wie lief das ab?«
Wieder diese leicht hochgezogene Augenbraue, diese Sekunde bis zur Antwort.
»Man verspricht nichts, keine Überzeugungsgespräche, alles läuft viel subtiler ab. Man lädt nur ein. Man lässt teilhaben an Harmonie und Offenheit, ist Vorbild und Beispiel, schau her, so toll wirst du, wenn du hier mitmachst. Niemand muss bleiben, aber jeder fühlt sich schlecht, wenn er einen Vortrag, ein Meeting, ein Mantra wieder verlässt, deshalb ist man weltoffen und bleibt. Die finden immer den Ankerpunkt in der Persönlichkeit, den schwachen, verborgenen Punkt, dessen Berührung schamhaft besetzt oder schmerzhaft ist.«
»Der wunde Punkt.«
»Genau. Um in dieser Atmosphäre nicht dem System zu unterliegen, ist es wichtig, so viele eigene wunde Punkte wie möglich zu kennen, Frau Krafft. Das ist immens wichtig, um nicht gleich über die erste Hürde zu stolpern.«
Karin Krafft dachte nach. Von Aha schien ihr Zeit zu geben, ließ sie gleichzeitig nicht aus den Augen. Sein Blick
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