Die Eule - Niederrhein-Krimi
ausgelöscht. Nichts erinnert sie selber daran, nichts kann von anderen erfragt werden. Frau Krafft, selbst Ordensleute in Klöstern haben persönliche Gegenstände und berichten über ihr weltliches Leben.«
Karin gab sich beeindruckt. »Sie meinen …«
»… genau, ich meine, dass sie ihre eigene Not zur Tugend gemacht hat. Was sie zur Prämisse der Sekte macht, hilft ihr, selber zu leben. Und sie schart andere um sich, damit sie daran teilhaben können. Es wird Parallelen zu ihrem Leben geben, mit denen sie die Leute beeinflusst und hält.«
»Selbsttherapie durch Gruppendruck. Das ist ja krank.«
»Nein, das hat System. Und genau davor habe ich vorhin versucht Sie zu warnen. Wenn es wunde Punkte gibt, die Ihnen bewusst sind, dann passen Sie darauf auf. Und wenn es Sequenzen in deren Sitzungen gibt, die Ihnen nahegehen und noch tagelang hinterher wirken, dann sollten Sie darüber sprechen.«
Er schien zu merken, dass er ihre Grenze erreicht hatte. »Ich meine, Sie sollen einen Ansprechpartner in der Warteschleife haben, das ist alles.«
»Schon gut, ich hab’s kapiert. Wie gehen wir vor?«
»Wie besprochen. Ich schaue mich nachher dort um, am Donnerstag gehen wir einzeln hin und treffen uns dort zufällig, stellen uns brav einander vor und machen mit. Mal sehen, was für einen Budenzauber diese Gruppe bietet.«
Karin konnte sich eine gewisse Süffisanz nicht verkneifen. »Die bleiben auf jeden Fall angezogen und kiffen nicht.«
Von Aha blickte sie ernst an. »Es dürfte weitaus ungefährlicher sein, nackt zu kiffen, als angezogen einen Seelenstriptease zu machen.« Er stand auf. »Melde mich ab zur Dateisichtung, Frau Hauptkommissarin.«
Sie rief hinter ihm her. »Ich erwarte alle zehn Minuten detaillierte Berichte. Mündlich reicht.«
Er kam zurück und blickte ihr tief in die Augen. »Das meinen Sie jetzt nicht ernsthaft, oder?«
Karin musste grinsen. Seine Mundwinkel zuckten sichtbar, man konnte es den Ansatz eines Lächelns nennen.
»Nicht direkt, das war eher ein spontaner Witz.«
»Bitte in Zukunft rot unterstreichen, damit ich Ihren Humor verstehe.«
Auch das noch, dachte Karin, der geht zum Lachen in den Keller.
* * *
»Kannst du mich abholen?«
Maarten wusste Karins Stimme nicht auf Anhieb zu deuten, ihr Anliegen war jedoch ungewöhnlich. »Was ist passiert?«
»Nichts, ich bin nur angesäuselt. Simon hat zum Abschied eine erstaunliche Auswahl an Getränken aufgefahren. Bei einem wunderbaren 2005er Rioja konnte ich nicht Nein sagen.«
»Ich organisiere die Nachbarin zum Babysitten, bin gleich da. Ich warte unten.«
Karin blickte in die illuster plaudernde Runde im Besprechungsraum. Simon saß träumerisch vor der Anglerausrüstung, die Chefin der Behörde ließ sich vom Neuen die Organisation der Dienststelle im niedersächsischen Göttingen erläutern, Jerry zeigte aktuelle Fotos von den ersten Erfolgen der Hilfsmaßnahmen in seinem Herkunftsland Haiti. Nach dem verheerenden Erdbeben dort hatte er in der Kreispolizeibehörde Benefizveranstaltungen organisiert und Spenden gesammelt für seine vielköpfige Ursprungsgemeinde. Burmeester und Tom Weber beschäftigten sich damit, hochgeworfene Erdnüsse mit dem Mund zu fangen, und erzählten sich zwischendurch die neuesten Witze.
»Sagt die Verkehrsstreife zum jungen Porschefahrer: ›Na, Porsche vom Papi?‹ Sagt der Porschefahrer zum Streifenfuzzi: ›Na, Passat vom Staat?‹ Gut, oder?«
Es sah entspannt und harmonisch aus. Karin war nur unglaublich müde. »Nein, komm doch nach oben. Ich sage dem Pförtner Bescheid, okay?«
Das obligatorische kleine Küsschen ins Telefon beendete das Gespräch. Sie schenkte noch einmal nach, der Rotwein war einfach klasse, und ging zu Simon.
»Wir werden dich wohl in Zukunft beim Anleger im Hafen finden, wo du nicht nur Fische fangen, sondern gleichzeitig auch Leute gucken kannst.«
Sie mussten lachen.
»Mich wirst du am Ende der Kribbe sitzen sehen, mit Sicht auf die neue Brücke und auf die Reste der alten gemauerten Eisenbahnbrücke. Das Vergangene und das Moderne im Blick, so werde ich die leckersten Fische fangen.«
»Du wirst beschäftigt sein …«
»… und meine Frau wird beschäftigt sein, wenn ich nach Hause komme …«
»… und alles wird gut.«
Jetzt setzte seine gute Laune für einen Moment aus. »Hoffentlich.«
Sie klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Wird schon. War schön, mit dir zusammenzuarbeiten. Auch deine letzten Ergebnisse, Donnerwetter.« Bloß kein
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