Die Eule - Niederrhein-Krimi
verteilt wurden, und solche, die in der wirren Nachwendezeit folgten. So ist sie an den Niederrhein gekommen.«
»Wie hat er das rausgefunden?«
»Er hat das Kreisarchiv bemüht und den Namen eingegeben. Da erschien der Hinweis auf ein Interview. Die Lokalpresse hatte nach Aussiedlern gesucht, die über ihre Geschichte und ihre Pläne berichten wollten. Sie hatte keine Pläne, Arbeit finden, eine andere Bleibe. Sie betonte, sie habe ihr altes Leben zurückgelassen. Morgen wird Burmeester sich auf die Suche nach dem alten Leben machen, dann wissen wir mehr.«
Das Auto glitt am nächtlich dunklen Ginderich vorbei, seit Neuestem auch Wallfahrtsort, nicht so bekannt wie Kevelaer, jedoch im Aufschwung begriffen.
»Und?«
»Was, und?«
»Ich will mehr von Mord und Totschlag hören, gib’s mir.«
»Okay, mein Kutscher, aber nur, wenn du noch einen Abstecher zum Fähranleger machst.«
»Ich denke, du bist müde?«
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Die Aussicht auf ein Tête-à-Tête mit einem gut gebauten Kraftfahrer belebt mich ungemein.«
»Geht in Ordnung. Ich brauche aber noch ein wenig Input kriminalistischer Natur.«
»Also, Jerry hat heute herausgefunden, wo das Insulin herkam, mit dem der Lkw-Fahrer umgebracht wurde. Es entstammte einer Lieferung nach Kevelaer, wurde dort an mehrere Personen ausgegeben und an drei Altenheime. Die Personenüberprüfung verlief negativ, und in den Senioreneinrichtungen tappen wir noch im Dunkeln. Nichts Offensichtliches bis jetzt. Ich bin gespannt, ob der tote Fahrer morgen einen Namen bekommt. Unser Zeichner hat sein Gesicht gut rekonstruiert, es wird veröffentlicht.«
»Hört sich nach filigraner Kleinarbeit an. Bewohner, Personal, Reinigungskräfte.«
»Das wird es werden, da kannst du von ausgehen. Tom hat über die besorgten Äußerungen eines der Opfer berichtet. Eine Frau, der beide Beine amputiert werden mussten, kannst du dir das vorstellen? Furchtbar. Und als Erstes erkundigt sie sich nach dem Befinden der Garowske.«
»Donnerwetter, das nenn ich Glaubenstreue.«
»Nicht nur das. Die Garowske hätte die Fahne tragen sollen an dem Morgen, verstehst du? Im Normalfall hätte sie die Pilgergruppe angeführt.«
Maarten überlegte kurz. »Du meinst, eigentlich hätte sie unter den Toten und Verletzten sein müssen. Es hat die falschen Opfer gegeben, weil sie nicht in der geplanten Position die Gruppe anführte.«
»Genau, die Frau in der Unfallklinik hält Cornelia Garowske für das potenzielle Ziel des Anschlags.«
Maarten dachte nach. »Das klingt nicht logisch. Der Fahrer hätte doch merken müssen, dass ein Mann die Fahne trug statt einer Frau.«
»Vielleicht hat er nicht gewusst, was er in diesem unvorhersehbaren Fall tun sollte, und einfach auf die Spitze der Gruppe zugehalten. So oder ganz ähnlich hätte sein Auftrag lauten können.«
»So viel Kaltblütigkeit und so viel Sinnlosigkeit in einem. Sei vorsichtig bei dieser Sekte, hörst du?«
»Versprochen.«
Maarten setzte den Blinker, um nach rechts auf die B 57 abzubiegen. »Wie du das immer herausfindest, meine Meisterdetektivin.«
»Eins ergibt das andere, so war es jetzt auch. Wie bei dir, wenn ihr wieder eine Insula im Archäologischen Park freilegt. Die Teile fügen sich zusammen. Das Beste kommt noch.«
»Wie, alles heute ermittelt?«
»Fleißige Truppe, du sagst es. Der Neue …«
»Dieses Kauzgesicht?«
»Ja, aber der hat auch einen Namen. Der heißt Gero von Aha.«
Maarten lachte kurz auf und ließ sie den Namen zweimal wiederholen.
»Künstlername, Pseudonym?«
»Nein, anscheinend echt. Jedenfalls hat von Aha im PC eines Opfers Stasiakten gefunden.«
»Moment, da komm ich nicht mit. Redest du vom Geheimdienstsystem dieses untergegangenen Staates? Ein Staatssicherheitsapparat, der Verdächtige ausspionieren ließ wie in dem berühmten Film, dessen Regisseur den Oscar bekam. Wie hieß der Streifen noch, mit Ulrich Mühe in der Hauptrolle?«
»›Das Leben der Anderen‹. Richtig, ich meine die Stasi. Im Volksmund wurde sie die Firma Horch und Greif genannt. Die totale Überwachung, Tausende informeller Mitarbeiter, kein freies Leben, nicht einmal freie Gedanken, wenn sich jemand außerhalb der verordneten Linie stellte. Keine gute Zeit für Querdenker und Freiheitsliebende! Aber ein fürsorglicher Staat, mit dem sich arrangieren konnte, wer das wollte. Jedenfalls gibt es in dem PC eingescannte Akten, deren Inhalt wir noch nicht deuten können. Ist nur auffällig, dass ein
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